3.1 Aufnahme in den Haushalt (Abs. 2 S. 1)
Rz. 6
Erfüllen für ein Kind mehrere Anspruchsberechtigte die Berücksichtigungsvoraussetzungen, wird das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Dies gilt auch dann, wenn ein Elternteil ohne das Kind in Deutschland und der andere Elternteil mit dem Kind im EU-Ausland lebt. Diese Regelung ist sachgerecht; verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht. Es liegt auch kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vor. Das Kindergeld erhält damit vorrangig der Elternteil, der das Kind tatsächlich betreut, erzieht und versorgt, d. h., in dessen Obhut es sich befindet (Grundsatz der Haushaltsaufnahme, Obhutsprinzip). Diese Regelung entspricht am ehesten dem Kindeswohl ausgehend davon, dass derjenige, in dessen Haushalt das Kind aufgenommen ist, den Hauptteil der kindbedingten Belastungen trägt. Sie stellt auch am ehesten sicher, dass das Kindergeld tatsächlich dem Kind zugutekommt. Abweichende Vereinbarungen unter den Anspruchsberechtigten sind nicht möglich. Das Kindergeld ist daher grundsätzlich gegenüber dem vorrangig Berechtigten festzusetzen und ggf. von diesem zurückzufordern. Unabhängig davon ist die Frage, an wen das Kindergeld ausgezahlt werden soll; eine Auszahlung an den anderen Elternteil ändert nicht die Festsetzung des Kindergelds. Dementsprechend wird auch die Rückerstattung unberechtigt ausgezahlten Kindergelds durch zivilrechtliche Vereinbarungen nicht berührt (zu Weiterleitungsfällen s. Rz. 22ff.). Ist das Kindergeld im Rahmen einer Unterhaltsregelung verrechnet worden, kann der Ausgleich nur über das zivile Unterhaltsrecht erfolgen. Der haushaltsangehörige Elternteil kann daher z. B. nicht zugunsten des haushaltsfernen auf das Kindergeld verzichten.
Der Begriff der Haushaltsaufnahme entspricht § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG (s. § 32 EStG Rz. 31). Wie dort ist eine zeitweise auswärtige Unterbringung am Ausbildungs- oder Studienort unschädlich. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse. Die Definition der Haushaltsaufnahme besteht aus den 3 Elementen, dass das Kind im Haushalt des Elternteils wohnt (örtlich gebundenes Zusammenleben), versorgt (materielle Voraussetzung: Versorgung, Unterhaltsgewährung) und betreut (immaterielle Voraussetzung: Fürsorge, Betreuung) wird. Es kommt für eine Haushaltsaufnahme indes nicht darauf an, ob der das Kind in seinen Haushalt aufnehmende Elternteil über ein eigenes Erwerbseinkommen verfügt. Die Betreuung muss einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und die Aufenthalte des Kindes dürfen nicht nur Besuchs- oder Feriencharakter haben. Auch bei einer auswärtigen Unterbringung des Kindes kann der örtliche Bezug zur Wohnung des Berechtigten noch gegeben sein, wenn die Aufenthalte einen zeitlich bedeutsamen Umfang und nicht nur Besuchscharakter haben.
Der in einem anderen EU-Mitgliedstaat lebende Elternteil kann gegenüber dem im Inland lebenden Elternteil nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG i. V. m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 vorrangig kindergeldberechtigt sein, wenn er sein Kind in seinem Heimatland in einen Haushalt aufgenommen hat. Die nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 i. V. m. Art. 60 Abs. 1 S. 2 der VO Nr. 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird. Fehlt es in dem anderen EU-Mitgliedstaat an einem gemeinsamen Haushalt der beiden Elternteile, kann der im Inland lebende Elternteil nicht nach § 64 Abs. 2 S. 2 EStG zum vorrangig Berechtigten bestimmt werden. Kann wegen der – nicht nur räumlichen – Trennung der Eltern nicht fingiert werden, dass diese in Deutschland in einem gemeinsamen Haushalt leben, ist nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG der Elternteil kindergeldberechtigt, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Diese Fiktion führt dazu, dass der Anspruch auf Kindergeld nicht dem in Deutschland, sondern dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zusteht, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Einkommensgrenzen nach ausl. Recht sind für den Kindergeldanspruch des im Ausland lebenden Elternteils ohne Bedeutung. Nach Art. 60 Abs. 1 S. 2 VO Nr. 987/2009 ist über den Kindergeldanspruch zu entscheiden, als würden alle Beteiligten unter die deutschen Rechtsvorschriften fallen. Gleiches gilt für den ein Kind in seinen Haushalt aufnehmenden Großelternteil. Handelt es sich indes um einen im EU-Ausland lebenden nicht freizügigkeitsberechtigten Elternteil, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, müssen für dessen vorrangige Kindergeldberechtigung auch die Voraussetzungen i. S. d. § 62 Abs. 2 EStG erfüllt sein.
Bei Aufenthalten im Haushalt des einen und des anderen Berechtigten ist darauf abzustellen, wo sich das Kind überwiegend aufhält und wo es seinen Lebensmittelpunkt hat. Denn eine Aufteilung des Kindergelds ist nach § 64 Abs. 1 EStG ausgeschlossen. Für den Fall der gleichwertigen Aufnahme in mehreren Ha...