1.1 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 67 EStG wurde durch das JStG 1996 im Zusammenhang mit der Umgestaltung des bisherigen Kinderlastenausgleichs zum sog. Familienleistungsausgleich mit Geltung ab Vz 1996 eingefügt (zur Rechtsentwicklung s. § 31 EStG Rz. 3ff.). Nach Abs. 2 a. F. sollte ein Kind über die Vollendung des 18. Lebensjahrs hinaus nur dann berücksichtigt werden, wenn der Berechtigte der Familienkasse anzeigt (und ggf. nachweist), dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 oder 5 EStG vorliegen.
Mit dem Gesetz zur Familienförderung v. 22.12.1999 wurde Abs. 2 als entbehrlich aufgehoben, da nach § 32 Abs. 3 EStG ohnehin Kinder grundsätzlich nur bis zum 18. Lebensjahr berücksichtigt werden.
Durch das 2. FamFG v. 16.8.2001 wurde in S. 1 das Wort "örtlich" gestrichen. Nach § 72 Abs. 7 EStG a. F. war der Antrag an die Stelle zu richten, die für die Festsetzung der Bezüge oder des Arbeitsentgelts zuständig ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG können indes zentrale Bundes- und Landesfamilienkassen eingerichtet werden, die die Aufgaben einer Vielzahl von Familienkassen wahrnehmen. Familienkasse und Entgelt festsetzende Stelle können daher auseinanderfallen. Deshalb sollen Kindergeldanträge stets unmittelbar an die zuständige Familienkasse gerichtet werden.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften v. 2.12.2014 wurde die Verpflichtung des Kindergeldberechtigten eingeführt, seine Identifikationsnummer (IdNr) demjenigen mitzuteilen, der ein berechtigtes Interesse an der Leistung des Kindergelds hat (§ 67 S. 4 EStG).
1.2 Bedeutung
Rz. 2
Die Regelung entspricht § 17 BKKG a. F. § 9 BKGG n. F. wurde entsprechend gefasst. Die Vorschrift regelt das Erfordernis eines Antrags auf Kindergeld als verfahrensrechtliche Voraussetzung für die erstmalige Kindergeldzahlung. Die materielle Entstehung des Kindergeldanspruchs ist von einer Antragstellung unabhängig.
Die rechtzeitige Antragstellung hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist gem. § 171 Abs. 3 AO. Der Antrag muss spätestens vor Ablauf der vierjährigen Festsetzungsfrist bei der zuständigen Familienkasse gestellt werden.
1.3 Verfassungsmäßigkeit
Rz. 3
Das Antragsverfahren könnte deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil die durch die Nichtberücksichtigung der Kinderfreibeträge während des laufenden Kj. eintretende Übermaßbesteuerung nur durch eine rechtzeitige Antragstellung gemildert werden kann. Die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der Familie verbietet jedoch verfahrensrechtliche Schranken zum Nachteil von Stpfl. mit Kindern gegenüber Kinderlosen. Dem nur mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand genügenden Antragserfordernis kann indes keine so weitgehende ernstliche Benachteiligungswirkung zugemessen werden. Die (schriftliche) Antragstellung erscheint zur sachgerechten Verfahrensabwicklung unerlässlich.
Rz. 4
Entsprechendes gilt von dem möglichen Einwand, eine versäumte Antragstellung könne innerhalb des Kreises der Stpfl. mit Kindern deshalb zu einer Ungleichbehandlung führen, weil ab einem zu versteuernden Einkommen in einer Höhe, bei der die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags günstiger als das Kindergeld ist, die kindbedingten Vorteile ohne Antrag gewährt werden.