Prof. Dr. Georg Schnitter
7.1 Grundsatz der Einzelabschreibung
Rz. 232
Wirtschaftsgüter sind einzeln zu bewerten. Aus dem Grundsatz der Einzelbewertung folgt, dass die AfA für jedes einzelne Wirtschaftsgut gesondert zu ermitteln ist (Grundsatz der Einzelabschreibung). Es bestehen aber Ausnahmen. So können z. B. gleichartige oder annähernd gleichwertige, abnutzbare und bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach § 240 Abs. 4 HGB die Voraussetzungen für eine Gruppenbewertung erfüllen, gemeinsam abgeschrieben werden.
7.2 Pflicht zur AfA
Rz. 233
Liegen die Voraussetzungen des § 7 EStG vor, muss nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung die AfA vorgenommen werden. Insoweit besteht eine Pflicht zur abschnittsbezogenen Vornahme. Dies gilt auch in Verlustjahren. Bestehen AfA-Wahlrechte, kann die Wahl der AfA-Methode nur bis zur Bestandskraft des Steuerbescheids für den Vz, in dem die AfA für das in Betracht kommende Wirtschaftsgut erstmals geltend gemacht worden ist, geändert werden.
Rz. 234
Die Feststellung hinsichtlich der Berechtigung und Verpflichtung zur Vornahme der AfA ist im Veranlagungsverfahren zu treffen. Wird in unterschiedlichen Steuerbescheiden mehreren Stpfl. die AfA-Berechtigung zu- oder aberkannt, gilt § 174 AO. Bei rechtswidriger Mehrfachberücksichtigung der AfA zugunsten des Stpfl. findet § 174 Abs. 2 AO Anwendung. Ob und in welcher Höhe AfA vorzunehmen ist, wird von Amts wegen ermittelt.
7.3 Nachholung unterlassener AfA
Rz. 235
Im Hinblick auf die Pflicht zur Vornahme der AfA stellt sich die Frage, ob die AfA in späteren Jahren nachgeholt werden kann, wenn der Stpfl. sie bewusst oder versehentlich nicht vorgenommen hat und die Steuerbescheide der vergangenen Jahre nicht mehr geändert werden können. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, wenn ein Wirtschaftsgut in der Vergangenheit bereits in vollem Umfang abgesetzt und damit der mit seiner Anschaffung oder Herstellung einhergehende Aufwand vollumfänglich steuermindernd berücksichtigt worden ist, eine weitere AfA nicht mehr in Betracht kommt. Für den Verbrauch des AfA-Volumens macht es keinen Unterschied, ob die Anschaffungskosten entsprechend § 7 Abs. 1 S. 1 EStG jährlich abgesetzt oder z. B. irrtümlich als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand behandelt wurden. Vor diesem Hintergrund führen bestandskräftig zu Unrecht als sofort abziehbarer Erhaltungsaufwand geltend gemachte Anschaffungskosten zu einer Minderung des AfA-Volumens mit der Folge, dass insoweit eine Weiterführung der AfA ausgeschlossen ist.
Rz. 236
Eine Nachholung der unterlassenen AfA kommt nicht in Betracht, wenn der Stpfl. sie in der Absicht der Steuerersparnis unterlassen hat. Die unterlassene AfA geht endgültig verloren. Unter Durchbrechung des Bilanzzusammenhangs wird in der Anfangsbilanz des ersten Jahres, dessen Schlussbilanz noch nicht bestandskräftig veranlagt worden ist, der Buchwert der vorhergehenden Schlussbilanz um die versäumte AfA gekürzt. Von dem sich so ergebenden Buchwert ist in der Folgezeit abzuschreiben. Eine unzulässige Nachholung unterlassener AfA kann durch eine Teilwertabschreibung nicht umgangen werden. Die Teilwertabschreibung kann nur von dem um die unterlassene AfA korrigierten Buchwert erfolgen. Die Grundsätze für versehentlich unterlassene AfA finden Anwendung, wenn der Stpfl. die AfA zwar absichtlich, nicht aber mit dem Ziel der Steuerersparnis unterlassen hat.
Rz. 237
Versehentlich unterlassene AfA sind nachzuholen. Ist AfA nach § 7 Abs. 1, 2 oder 4 S. 2 EStG unterblieben, erfolgt die Nachholung in der Weise, dass die noch nicht abgesetzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Buchwert) entsprechend der bei dem Wirtschaftsgut angewandten AfA-Methode auf die noch verbleibende Restnutzungsdauer verteilt werden, wobei die Restnutzungsdauer neu zu schätzen ist (H 7.4 "Unterlassene und überhöhte AfA" EStH 2021). Die Summe der unterlassenen AfA bei der Veranlagung des ersten offenen Jahres in einem Betrag als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend zu machen, ist unzulässig. Unberührt bleibt das Recht, von der degressiven zur linearen AfA überzugehen. Im Fall der AfA nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG ist auf den Restbuchwert weiterhin der jeweils gesetzlich vorgeschriebene Prozentsatz anzuwenden. Folge ist eine Verlängerung der Abschreibungsdauer. Gleiches gilt, wenn der Stpfl. die AfA nach § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen hat (H 7.4 "Unterlassene und überhöhte AfA" EStH 2021). Nach Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Nutzungsdauer ist nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG abzuschreiben.
Rz. 238 einstweilen frei
Rz. 239
Die aufgezeigten Grundsätze gelten auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG und den Überschusseinkünften.
Rz. 240
Be...