Rz. 34

Nach § 72 Abs. 8 EStG werden die Familienkassen des öffentlichen Dienstes von der verwaltungsaufwendigen und – wegen der geringen Fallzahlen – mit großer Fehlerträchtigkeit behafteten Festsetzung und Auszahlung des Kindergelds für im Ausland lebende Kinder ihrer Beschäftigten, für die nur aufgrund über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften Ansprüche bestehen (Kindergeld nach EU-/EWR-Recht und sog. Vertragskindergeld), entlastet (§ 72 Abs. 8 S. 1 EStG). Unerheblich ist, ob der Anspruch (daneben) auch auf dem EStG beruht (§ 72 Abs. 8 S. 2 EStG). Hierzu gehören auch Fälle, in denen die Anrechnung ausl. Kindergelds nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zu entscheiden ist.[1] Die Festsetzung und seit 1999 auch die Auszahlung obliegen hier abweichend von Abs. 1 S. 1 nicht den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, sondern den Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit.[2] Gegen sie ist auch der Einspruch zu richten. Die örtliche Zuständigkeit der Arbeitsagentur/Familienkasse richtet sich nach § 19 Abs. 1 AO (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, vorwiegender Aufenthalt des Berechtigten; § 67 EStG Rz. 11.[3]

  • Zwischenstaatliche Rechtsvorschriften: Nach § 63 Abs. 1 S. 3 EStG werden Kinder ohne Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt in EU-/EWR-Staaten nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten i. S. v. § 62 Abs. 1 Nr. 2a EStG (Auslandsbeamte usw.). Abweichend von § 63 Abs. 1 S. 3 EStG können Kinder mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb der EU oder des EWR (sog. Auslandskinder) aufgrund entsprechender Sozialabkommen berücksichtigt werden (sog. Vertragskindergeld; Bosnien und Herzegowina, Marokko, Mazedonien, Serbien und Montenegro, Türkei, Tunesien, Schweiz; § 63 EStG Rz. 14; § 66 EStG Rz. 6ff.).[4] Die Anspruchsberechtigung ergibt sich hier nicht aus dem EStG.
  • Überstaatliche Rechtsvorschriften: Das Arbeitsamt ist auch dann zuständig, wenn der Kindergeldanspruch für in einem anderen EU-/EWR-Staat oder im Inland lebende Kinder nach den Konkurrenzregelungen der EWG-VO v. 30.1.1997 Nr. 1408/71[5] und DurchführungsVO v. 30.1.1997 Nr. 574/72[6] begründet ist, d. h. wenn sich sowohl nach dem EStG als auch nach überstaatlichen Vorschriften dem Grunde nach ein Anspruch ergibt.
  • § 72 Abs. 8 EStG ist hingegen nicht einschlägig, wenn der Anspruch nur auf dem EStG beruht, d. h., wenn Art. 76 und 79 Abs. 3 der EWG-VO Nr. 1408/71 bzw. des Art. 10 EWG-VO Nr. 574/72 nicht zur Anwendung kommen, weil erkennbar kein Anspruch auf Familienleistungen in dem anderen EU- oder EWR-Staat besteht, z. B. wenn sich ein Kind zeitlich begrenzt zur Ausbildung im EU-/EWR-Ausland befindet und seinen Wohnsitz im Inland beibehält.
  • Ab 2022 ist § 72 Abs. 8 EStG ebenfalls nicht einschlägig bei Angehörigen der Nachrichtendienste des Bundes.
[2] V 1.5.2 Abs. 1 DA-KG 2016.
[3] V 2 Abs. 1 DA-KG 2016.
[4] A 23.2 Abs. 2 DA-KG 2016.
[5] ABl. EG Nr. L 28, 4.
[6] ABl. EG Nr. L 28, 102.

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