1 Allgemeines

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift wurde durch das JStG 1996 im Zusammenhang mit der Umgestaltung des bisherigen Kinderlastenausgleichs zum sog. Familienleistungsausgleich mit Geltung ab Vz 1996 eingefügt (zur Rechtsentwicklung s. § 31 EStG Rz. 3ff.). Durch das JStErgG 1996 wurde Abs. 9 angefügt. Durch das StEntlG 1999 v. 19.12.1998[1] wurde Abs. 9 mit Wirkung ab Vz 1999 als Folge der Abschaffung der Kindergeldauszahlung durch den privaten Arbeitgeber geändert. Das FamFG v. 22.12.1999 brachte die redaktionelle Anpassung des Abs. 7 an die Streichung des § 67 Abs. 2 EStG. Durch das 2. FamFG v. 16.8.2001, BStBl I 2001, 533 wurde Abs. 7 gestrichen. Danach war der Kindergeldantrag an die Stelle zu richten, die für die Festsetzung der Bezüge oder des Arbeitsentgelts zuständig ist, z. B. bei Bundesbeamten das Bundesamt für Finanzen, bei Landesbeamten das jeweilige Landesamt für Besoldung und Versorgung. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG können Bundes- und Landesfamilienkassen eingerichtet werden, die zentral die Aufgaben einer Vielzahl von Familienkassen wahrnehmen. Daher können künftig die Familienkasse und die die Bezüge festsetzende Stelle auseinanderfallen. Abs. 7 wurde daher aufgehoben, damit Anträge nach § 67 EStG unmittelbar an die zuständige Familienkasse gerichtet werden können.

Durch das Dritte Gesetz über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde Abs. 1 S. 3 an das geänderte SGB III redaktionell angepasst ("Bundesagentur" statt "Bundesanstalt"). Mit dem Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss v. 13.12.2006[2] wurde Abs. 7 dahingehend ergänzt, dass in den Gehaltsabrechnungen das Kindergeld nur gesondert auszuweisen ist, wenn es zusammen mit den Bezügen oder dem Arbeitsentgelt ausgezahlt wird. Der gesonderte Ausweis ist ab 2007 entbehrlich, wenn das Kindergeld nicht zusammen mit den Bezügen oder dem Arbeitsentgelt ausgezahlt wird.

Mit dem Gesetz zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes v. 8.12.2016[3] soll eine grundlegende strukturelle Reform der Zuständigkeiten der Familienkassen des öffentlichen Dienstes eingeleitet werden. Die Änderungen in § 72 EStG treten in drei Stufen in Kraft: Durch Art. 1 Nr. 2 wurde § 72 Abs. 1 EStG geändert m. W. v. 14.12.2016; durch Art. 2 wurde § 72 Abs. 7 EStG geändert m. W. v. 1.1.2019; weitere Änderungen erfolgten durch Art. 3 m. W. v 1.1.2022.

[1] BGBl I 1998, 3779.
[2] BGBl I 2006, 2915.
[3] BGBl I 2016, 2835.

1.2 Bedeutung

 

Rz. 2

§ 72 EStG regelt die Kindergeldzahlung an Angehörige des öffentlichen Dienstes. Ihnen wird das Kindergeld nicht von den Familienkassen der Bundesagentur, sondern von den öffentlich-rechtlichen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen festgesetzt und ausgezahlt. Die genannten juristischen Personen sind insoweit Familienkasse. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Kindergeldanspruchs sind die gleichen wie bei den übrigen Kindergeldberechtigten. Das Verfahren richtet sich nach der AO. Gegen Einspruchsentscheidungen ist der Finanzrechtsweg gegeben.

Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen § 45 BKKG a. F.[1] Abweichungen beruhen auf der geänderten Finanzierung und Verwaltung des Kindergelds. Das Kindergeld wird von der juristischen Person des öffentlichen Rechts (Abs. 1) bzw. von den in Abs. 2 genannten Aktiengesellschaften festgesetzt und ausgezahlt, die insoweit nach Abs. 1 S. 1 als Familienkasse fungieren. Abs. 7 (früher Abs. 8) orientiert sich an § 28 Abs. 5 BerlinFG (Auszahlung der Berlinzulagen durch die Arbeitgeber). Abs. 8 (früher Abs. 9, Einsatz der Bundesagentur für Arbeit) wurde durch das JStErgG angefügt, um die Familienkassen des öffentlichen Dienstes von der verwaltungsaufwendigen und – wegen der geringen Fallzahlen – fehlerträchtigen Kindergeldfestsetzung für im Ausland lebende Kinder ihrer Beschäftigten, die nur aufgrund über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften Kindergeldansprüche haben, zu entlasten. Die Festsetzung und Auszahlung durch die Familienkassen der Arbeitsämter erscheint wegen der dort zu bearbeitenden höheren Fallzahlen sachgerecht.[2]

[1] BGBl I 1994, 168.
[2] BT-Drs. 13/3084, 73.

1.3 Umstrukturierung der Familienkassen für Angehörige des öffentlichen Dienstes

 

Rz. 2a

Mit dem Gesetz zur Beendigung der Sonderzuständigkeit der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes[1] wird eine grundlegende strukturelle Reform der Zuständigkeiten der Familienkassen des öffentlichen Dienstes eingeleitet.[2] Dazu wird die Kindergeldbearbeitung der Familienkassen des öffentlichen Dienstes im Bereich des Bundes nach Ablauf einer Übergangsphase bis zum Jahr 2022 auf die Bundesagentur für Arbeit oder alternativ auf das Bundesverwaltungsamt übergehen. Für den Bereich von Ländern und Kommunen erhalten die öffentlichen Arbeitgeber die Möglichkeit, ebenfalls Zuständigkeit und Fallbearbeitung an die Bundesagentur für Arbeit abzugeben.[3]

 

Rz. 2b

Bereits in der Übergangsphase (bis 31.12.2021) können Behörden, Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts im Bereich des Bundes auf die...

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