Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 41
Rücklagenerhöhung: Eine einmal gebildete Rücklage kann – innerhalb der Zweijahresfrist – in späteren Wirtschaftsjahren des Abs. 3 S. 2 bis zum Höchstbetrag von 40 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aufgestockt werden. Das Wahlrecht besteht also nicht nur für das Jahr der erstmaligen Bildung, sondern auch für die Folgejahre, allerdings nicht mehr im Jahr der Investition. Im Jahr der Investition könnte auch erstmalig keine Rücklage mehr gebildet werden, weil eine Gewinnminderung durch die Rücklagenbildung nicht möglich ist. Dann kann auch keine Aufstockung mehr zulässig sein.
Eine Aufstockung ist nach Inkraftreten des UntStReformG 2008 v. 14.8.2007 möglich (vgl. Rz. 36). Der BMF lehnt dies allerdings ab Inkrafttreten des UntStReformG (= grundsätzlich im VZ 2007) ab. Dies ist indes nicht mit dem Wortlaut der Übergangsregelung in § 52 Abs. 23 S. 3 EStG zu vereinbaren, wonach § 7g EStG a. F. in der bis zum 17.8. 2007 geltenden Fassung weiter anzuwenden sein soll (vgl. Fuhrmann/Kratzsch, in Steuer Consultant 2008, 28ff. sowie Rz. 1).
Rücklagenminderung: Gleichfalls vom Wahlrecht umfasst ist – spiegelbildlich zum bestehenden Wahlrecht hinsichtlich einer Rücklagenbildung – das Recht, die Rücklage nachträglich freiwillig aufzulösen. Nach Entscheidung des BFH soll ein Stpfl., der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt und eine Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG a. F. vorzeitig – d. h. bereits mit Wirkung für das Folgejahr ihrer Bildung – auflösen will und dies erklärt, kein Wahlrecht zur Fortführung einer Teilrücklage haben. Vielmehr ist die Rücklage insgesamt aufzulösen.
E, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im "Jahresabschluss" zum 31.12.2004 bildete er für den von ihm beabsichtigten Kauf eines Lieferwagens eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 und 6 EStG a. F. i. H. v. 20.000 EUR. E löste die Ansparrücklage ausweislich seines "Jahresabschlusses" zum 31.12.2005 nicht auf, der ESt-Bescheid des Jahres 2005 wurde bestandskräftig. Das FA erhöhte den Gewinn des Jahres 2006 um die aufzulösende Rücklage zzgl. eines Gewinnzuschlags gem. § 7g Abs. 5 EStG a. F. Der BFH entschied im Einklang mit der Vorinstanz, die Rücklage könne nicht teilweise zum 31.12.2005 aufgelöst werden Hiernach soll der Stpfl., der eine Ansparrücklage gem. § 7g Abs. 3 EStG a. F. vorzeitig – d. h. bereits mit Wirkung für das Folgejahr ihrer Bildung (hier: 31.12.2005) – auflösen will und dies erklärt, kein Wahlrecht zur Fortführung einer Teilrücklage haben, selbst wenn die Steuer nach wie vor 0 EUR beträgt.
Das durch § 7g EStG a. F. eröffnete Wahlrecht auf Rücklagenbildung und -auflösung kann nach BFH-Auffassung also in zeitlicher Hinsicht nicht unbeschränkt ausgeübt werden, wie etwa das Wahlrecht im Zusammenhang mit der Reinvestitionsrücklage nach § 6b EStG (vgl. Kanzler, FR 2006, 226). Der Stpfl. dokumentiere mit der Erklärung, er wolle die Rücklage auflösen, dass er von der geplanten Investition Abstand genommen habe. Zusätzlich zum Vorliegen des sog. Finanzierungszusammenhangs zwischen Investition und Rücklagenbildung folgert der BFH bei § 7g EStG a. F. in Abweichung zu den allgemeinen Grundsätzen zu § 6b EStG aus einer vorzeitigen Rücklagenauflösung explizit auch die Aufgabe der Investitionsabsicht. Diese Auffassung scheint auch die Finanzverwaltung zu vertreten, die ausdrücklich eine Auflösung von Rücklagen oder Teilrücklagen erörtert. Die Schlussfolgerung des BFH erscheint allerdings widersprüchlich, weil eine Investitionsabsicht – auch nach BFH-Auffassung – gerade keine Voraussetzung für eine Rücklagenbildung nach § 7g EStG a. F. sein soll. Außerdem besteht z. B. die Möglichkeit, dass der Stpfl. im Jahr nach der Rücklagenbildung seine Investitionsabsicht insoweit ändern kann, dass er weiterhin Investitionen plant, allerdings in geringerem Umfang, so dass eine Teilauflösung durchaus sachgerecht sein kann. M. E. beinhaltet das aus Abs. 3 S. 1 abzuleitende Wahlrecht, eine Rücklage zu bilden, nicht nur ein Wahlrecht, die Rücklage nachträglich zu erhöhen, sondern auch, sie nachträglich teilweise zu verringern. Ob eine Investitionsabsicht besteht, kann für das Jahr der Rücklagenbildung, nicht aber für spätere Jahre maßgeblich sein. Anderenfalls müsste in jedem Jahr erneut geprüft werden, ob weiterhin eine Investitionsabsicht besteht. Letzteres verlangt die Finanzverwaltung indes nicht. M. E. ist trotz der restriktiven BFH-Auffassung jedenfalls in den Fällen, in denen der Stpfl. seine Investitionsabsicht nicht vollständig aufgibt, sondern weiterhin dasselbe Wirtschaftsgut anzuschaffen beabsichtigt, allerdings eine geringere Rücklage als bisher bildet, eine Verringerung der ursprünglich gebildeten Rücklage möglich.
Die rückwirkende Änderung einer Rücklage ist indes nach der Ausübung des Wahlrechts grundsätzlich ausgeschlossen. Der Stpfl. ist an sein einmal ausgeübtes Bilanzierungswahlrecht ...