Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 79
Keine Existenzgründung ist die Übernahme eines Betriebs im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder im Weg der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft. Nicht begünstigt sind nach § 7g Abs. 7 S. 3 EStG a. F. sowohl die Übernahme eines Betriebs im Weg der vorweggenommenen Erbfolge als auch die Betriebsübernahme im Weg der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft unmittelbar nach dem Erbfall. Eine vom Rechtsvorgänger gebildete Existenzgründerrücklage kann indes bis zum Ablauf des (ursprünglichen) Investitionszeitraums fortgeführt werden, auch wenn der Rechtsnachfolger eine Existenzgründereigenschaft aufweist.
Eine vorweggenommene Erbfolge liegt auch dann vor, wenn der Betrieb teilentgeltlich übertragen wird und die Gegenleistung das Kapitalkonto nicht übersteigt, da in diesem Fall nach der sog. Einheitstheorie insgesamt eine steuerliche unentgeltliche Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG vorliegt. Anders könnte die Rechtslage zwar auf den ersten Blick sein, sobald der Barwert der Leistungen das Kapitalkonto übersteigt, da dann – entsprechend der Einheitstheorie – ein vollentgeltliches Veräußerungsgeschäft vorliegt. Da der Erwerber allerdings bei einer vorweggenommenen Erbfolge teilentgeltlich erwirbt, liegt m. E. im Ergebnis aufgrund des Wertungsspielraums des Gesetzgebers (vgl. Rz. 70) im Hinblick auf die eindeutige Regelung in § 7g Abs. 7 S. 3 EStG a. F. beim Erwerber die Existenzgründereigenschaft nicht vor. Eine vorweggenommene Erbfolge ist allerdings grundsätzlich nur zwischen den zum Kreis der gesetzlichen Erben zählenden Angehörigen möglich (BMF v. 13.1.1993, IV B 3 – S 2190 – 37/92, BStBl I 1993, 80, 81, Rz. 1).
Erfolgt bei einer Erbengemeinschaft die Auseinandersetzung nicht "unmittelbar"unmittelbar nach dem Erbfall, kommt ebenfalls eine Existenzgründung allein durch den endgültigen Betriebsübernehmer in Betracht. Dann kommt es für die Existenzgründereigenschaft nicht – wie bei einer gemeinschaftlichen Fortführung durch die Erbengemeinschaft – auf alle Miterben, sondern nur auf die Personen an, die den Betrieb fortführen. Allerdings kommt nur die Betriebsübernahme durch eine Person in Frage, die nicht Erbe ist. Nach dem Erbfall treten zunächst die Erben gem. § 6 Abs. 3 EStG an die Stelle des Erblassers. Bei einer zeitlich unmittelbar nachfolgenden Auseinandersetzung scheidet die Existenzgründereigenschaft aus. Liegt keine Auseinandersetzung im zeitlichen Zusammenhang, also keine "unmittelbare" Auseinandersetzung vor, sind zwei Fälle zu unterscheiden:
(1) |
Wird der Betrieb auf einen Nichterben übertragen, war dieser niemals Betriebsinhaber, so dass die Existenzgründereigenschaft vorliegen kann (soweit die weiteren in § 7g Abs. 7 EStG a. F. genannten Voraussetzungen erfüllt sind). |
(2) |
Wird der Betrieb auf einen Miterben übertragen, war dieser zunächst (mindestens 6 Monate) über die Beteiligung an der Erbengemeinschaft Mitunternehmer (vgl. auch BMF v. 13.1.1993, IV B 3 – S 2190 – 37/92, BStBl I 1993, 80, 81, Rz. 4f.). Die Erbengemeinschaft als solche tritt gem. § 1922 BGB in die Fußstapfen des Erblassers, so dass auch in steuerlicher Hinsicht eine Gesamtrechtsnachfolge anzunehmen ist. Somit könnte bei wortgetreuer Anwendung des § 7g Abs. 7 EStG a. F. eine Existenzgründereigenschaft ausscheiden, weil jeder Gemeinschafter der Erbengemeinschaft als Mitunternehmer gem. § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 2 EStG a. F. beteiligt war. Eine derartige Auslegung erscheint aber zu restriktiv. Erfolgt die Auseinandersetzung nicht "unmittelbar" nach dem Erbfall und erfüllt der Übernehmer im Übrigen (also den neuen Betrieb ausgeklammert) die Voraussetzungen des § 7g Abs. 7 EStG a. F., ist im Umkehrschluss zu § 7g Abs. 7 S. 3 EStG a. F. vom Bestehen einer Existenzgründereigenschaft auszugehen. |
Eine "unmittelbare" Auseinandersetzung nach Erbfall liegt vor, wenn eine Auseinandersetzung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall vorgenommen wird (vgl. BMF v. 11.1.1993, IV B 2 – S 2242 – 86/92, BStBl I 1993, 62, 65, Rz. 8, 9; Apitz, in Jahresband zu Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7g EStG a. F. Rz. J03-5; zweifelnd Paus, StuW 1997, 65), weil bei der Erbauseinandersetzung auch in anderen Konstellationen (z. B. bei der Eintrittsklausel) eine Reaktionsfrist von sechs Monaten eingeräumt wird, innerhalb derer ein rückwirkendes Handeln möglich sein soll. Unerheblich ist es bei der Erbauseinandersetzung, ob sich diese auf den gesamten Nachlass erstreckt oder ob Abstands- oder Ausgleichszahlungen erfolgen. Auch insoweit sind vor dem Erbfall zulässig gebildete Rücklagen somit fortzuführen. Es liegt nämlich eine Betriebsfortführung auch vor, wenn der Betrieb steuerlich als teilentgeltliche Übertragung zu werten ist. Eine andere Betrachtung verstieße gegen Sinn und Zweck von § 7g EStG a. F. Neue Rücklagen kann der Rechtsnachfolger nur bilden, wenn er oder – bei mehreren Personen – sämtliche Rechtsnachfolger Existenzgründer sind und kein Fall des § 7g EStG a. F. vorliegt.
In anderen Fällen der unentgeltlichen Betriebsfortführung gem. § 6 ...