1.3.1 Kausalgeschäfte
Rz. 4
Die Bestellung des Nießbrauchs als abstraktes dingliches Rechtsgeschäft ist vom Verpflichtungsvertrag zu unterscheiden. Der Nießbrauchsbestellung wird meist die Regelung einer vorweggenommenen Erbfolge oder die Anordnung in einer letztwilligen Verfügung (Nießbrauchsvermächtnis) zugrunde liegen. Man spricht in diesen Fällen von einem Versorgungsnießbrauch. Die Praxis zeigt, daß ein Nießbrauch nur in seltenen Fällen gegen Entgelt gewährt wird. Ist jedoch ein Entgelt vereinbart, so handelt es sich um einen gegenseitigen, entgeltlichen Vertrag, auf den die Vorschriften über Kaufverträge entsprechende Anwendung finden (vgl. § 445 BGB "kaufähnliche Verträge"; Palandt, BGB zu § 445 Rz. 1).
Rz. 5
Entsprechend der wirtschaftlichen Zielsetzung im Verpflichtungsgeschäft wird unterschieden zwischen
- Vorbehaltsnießbrauch, ggf. als Vermächtnis- oder Auflagennießbrauch
- Zuwendungsnießbrauch
- entgeltlich eingeräumtem Nießbrauch
- unentgeltlich eingeräumtem Nießbrauch
- teilweise entgeltlich eingeräumtem Nießbrauch
Rz. 6
Die Verpflichtungsgeschäfte sind grundsätzlich formfrei. Verpflichtet sich jedoch der Besteller, unentgeltlich einen Nießbrauch einzuräumen, so handelt es sich um einen Vertrag, durch den eine Leistung schenkungsweise versprochen wird. In diesem Fall ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Ein Mangel der Form wird jedoch durch die Bewirkung der versprochenen Leistung, also im vorliegenden Fall die Nießbrauchsbestellung, geheilt. Der Vertrag, durch den sich der Besteller verpflichtet, ein Grundstück mit einem Nießbrauch zu belasten, bedarf dagegen keiner Form. Die Formvorschrift des § 313 BGB ist nicht anwendbar, da diese Vorschrift nur für die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung an dem Grundstück gilt; Palandt, BGB zu § 313 Rz. 7.
1.3.2 Erfüllungsgeschäfte
1.3.2.1 Bestellung des Nießbrauchs an Sachen
Rz. 7
Die Bestellung durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden hat verschiedene Erfordernisse, je nachdem ob es sich um Grundstücke oder bewegliche Sachen handelt. Sie entsprechen stets jenen für die Übertragung des Eigentums. Daher ist bei Grundstücken Einigung und Eintragung erforderlich, bei beweglichen Sachen Einigung und Übergabe. Die Einigung bezieht sich hier auf die Begründung des Nießbrauchs.
Durch Vermächtnis kann nur die Verpflichtung zur Bestellung des Nießbrauchs begründet werden, da dem Vermächtnis keine dingliche Wirkung zukommt. Die Bestellung wird in diesem Fall nach den oben genannten allgemeinen Vorschriften vorgenommen.
Auch bei der Nießbrauchsbestellung gibt es die Nebenformen der bloßen Einigung, des Besitzkonstituts und der Abtretung des Herausgabeanspruchs. Ein gutgläubiger Erwerb ist unter den gleichen Voraussetzungen wie beim Eigentumserwerb möglich.
1.3.2.2 Bestellung des Nießbrauchs an Rechten
Rz. 8
Die Nießbrauchsbestellung läuft immer auf eine Übertragung des Nutzungsrechtes, also eines Bestandteiles des belasteten Rechtes hinaus. Demgemäß hat die Bestellung nach den Vorschriften über die Übertragung des belasteten Rechtes zu erfolgen. Sie erfordert also bei Forderungen nur einen formlosen Vertrag, dagegen z. B. bei Hypotheken Einigung und Eintragung bzw. Übergabe des Hypothekenbriefes.