Rz. 149
Ob der beim Erwerb eines Grundstücks übernommene Nießbrauch als zusätzliches Entgelt zu beurteilen ist, ist in der Literatur umstritten. Bordewin (FR 1982, 140) und Ludwig Schmidt (FR 1981, 625) behandeln wie das IdW (Eingabe des IdW an den BdF vom 4.2.1983, Fachnachrichten 3/83) den Nießbrauch als Bestandteil der Gegenleistung und damit als Anschaffungskosten. Döllerer (JbFfSt 1976/77, 146 und BB 1982, 1559; sowie in BB 1984, 2034ff., insbes. 2037f.) und Mathiak (StuW 1982, 302) wollen die Entscheidung des BFH v. 28.7.1981 (VIII R 124/76, BStBl II 1982, 378) auch für den Fall des Betriebsvermögens anwenden, und zwar wohl nicht nur für den Vorbehaltsnießbrauch, sondern auch für den übernommenen Nießbrauch. Sie halten diesen offensichtlich für nicht passivierungsfähig. Aus den drei Urteilen des BFH vom 2.8.1983 (VIII R 170/78, BStBl II 1983, 735; VIII R 57/80, BStBl II 1983, 739 und VIII R 15/80, BStBl II 1983, 736) kann entnommen werden, daß er an seiner Auffassung im Urteil vom 28.7.1981, der Vorbehaltsnießbrauch sei nicht Bestandteil der Gegenleistung, auch für den gewerblichen Bereich festhält.
Beispiel:
Die X-GmbH & Co. KG hat 1984 als Vermögensanlage von B ein Mietwohngrundstück zum Kaufpreis von 1.000.000 DM erworben. Ohne Anrechnung auf den Kaufpreis übernahm die X-GmbH & Co. KG den im Grundbuch für den früheren Miteigentümer eingetragenen lebenslänglichen Nießbrauch. Das Nießbrauchsrecht hat nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes einen Wert von 100.000 DM, der von den Vertragsparteien als wirklicher Wert angenommen wird. Anfang 1985 verstirbt der Nießbraucher.
Folgt man der Auffassung des IdW sowie Bordewin und Schmidt (a.a. O.), daß der übernommene Nießbrauch zu passivieren ist und gleichzeitig zu aktivierende zusätzliche Anschaffungskosten für das Grundstück darstellt, ergibt sich im vorliegenden Fall eine Aktivierung des Grundstücks mit 1.100.000 DM und eine Passivierung der Nießbrauchsverpflichtung mit 100.000 DM. Die AfA ist aus den Gesamtanschaffungskosten zu errechnen. Der passivierte Nießbrauch ist, verteilt auf die mutmaßliche Lebensdauer des Berechtigten, ergebniswirksam aufzulösen. Nach dem Tod des Nießbrauchers ist der verbliebene Passivposten ergebniswirksam aufzulösen. Folgt man der m. E. berechtigten Gegenmeinung, unterbleibt eine Passivierung der Nießbrauchsverpflichtung, und das Grundstück ist mit 1 Mio. zu aktivieren.