1.1 Begriffe
Rz. 1
Die Unternehmensnachfolge stellt an alle Beteiligten höchste Anforderungen. Schon immer bereiteten der Wechsel an der Unternehmensspitze und das Ausscheiden der prägenden Unternehmerfigur oder des Gründers Probleme für die Existenz eines Unternehmens. Gesteigerte Relevanz hat die Unternehmensnachfolge ebenso durch die große Zahl der Unternehmen, die in den nächsten Jahren zur Nachfolge anstehen. Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn steigt die Anzahl der Unternehmensübergaben, vornehmlich bedingt durch den demografischen Wandel, aktuell und auch in den kommenden Jahren immer weiter an. Von den etwa 3,3 Mio. als Familienunternehmen klassifizierten Unternehmen in Deutschland erwartet das Institut im Zeitraum 2022 bis 2026 ca. 190.000 Unternehmensübergaben.
Rz. 1a
In der Praxis lässt es sich immer wieder feststellen, dass sich nur wenige Unternehmer freiwillig mit ihrer persönlichen Nachfolge befassen. Oft wird die Planung wegen der damit verbundenen Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen, der persönlichen Lebensplanung sowie den Verhältnissen in der Familie unnötig hinausgeschoben. Damit bleibt gleichzeitig das für den weiteren Bestand des Unternehmens verbundene Risiko unbeachtet. Die Unternehmensnachfolge sollte daher als letzte große Managementaufgabe des Unternehmers angesehen werden und entsprechend frühzeitig ein interaktiver Nachfolgefahrplan entwickelt werden.
Rz. 2
Der Begriff "Unternehmensnachfolge" wird oft mit dem Begriff "Erbfolge" verwechselt. Dabei wird übersehen, dass eine Nachfolgeregelung zu Lebzeiten für den Unternehmer vorteilhaft ist und u. a. der eigenen Alterssicherung dient. Ferner kann die Fortführung der Prinzipien, auf denen das Unternehmen aufgebaut wurde, gesichert oder eine Erwerbsquelle für die Kinder geschaffen werden.
Rz. 2a
Eine konsequente Planung und Durchführung der Unternehmensnachfolge ist ein komplexer Prozess, der sich aufgrund der vielfältigen persönlichen, rechtlichen und steuerrechtlichen Faktoren durchaus über mehrere Jahre hinziehen kann, insbes. bei größeren Unternehmen und komplexeren Strukturen. Die damit verbundenen Kosten sind unvermeidbar, soweit die Existenz des Unternehmens, des Unternehmers sowie die seiner Familie gesichert werden soll.
Rz. 2b
Gerade Unternehmer, die es gewohnt sind, strategische Entscheidungen mit weitreichenden Folgen zu treffen, sollten die Unternehmensnachfolge daher nicht dem Zufall der gesetzlichen Erbfolge überlassen. Die gesetzliche Erbfolge kann schon deshalb nicht den Interessen des Unternehmers gerecht werden, weil sie nicht für die Vererbung von Unternehmen konzipiert ist, sondern sich an der Übertragung von Privatvermögen orientiert.
1.2 Erfordernis einer geregelten Unternehmensnachfolge
Rz. 3
Die Regelung der Unternehmensnachfolge ist ein interaktiver Prozess, der Verbindungen insbes. zwischen folgenden Akteuren herstellt:
- Unternehmer,
- Unternehmen,
- Banken,
- Geschäftspartner,
- Mitarbeiter,
- Nachfolger,
- Familie,
- Finanzamt.
Rz. 3a
Der Unternehmer kann die Fortführung des Unternehmens entweder durch Familienmitglieder (familieninterne Unternehmensnachfolge) oder durch Dritte (familienexterne Unternehmensnachfolge) sicherstellen. Auch wenn das Unternehmen in erster Linie in der Familie bleiben soll, sind geeignete Dritte für die Unternehmensnachfolge in Betracht zu ziehen, sofern kein qualifizierter Nachfolger in der Familie vorhanden ist. Ferner sind die persönlichen Beziehungen im Unternehmen (z. B. zu Mitarbeitern) oder zwischen Unternehmer und Umfeld je nach Größe und Engagement zu beachten; ggf. kommt auch eine Unternehmensnachfolge innerhalb des Betriebs in Betracht. Die mögliche Reaktion bedeutender Geschäftspartner darf ebenfalls nicht vernachlässigt werden.
Rz. 4
Aus Sicht der Geschäftsbanken ist eine geregelte Nachfolge für die Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen unerlässlich. Eine ungeregelte Unternehmensnachfolge wirkt sich u. a. negativ auf das Rating aus. Ebenso nachteilig für den Fortbestand des Unternehmens ist z. B., wenn die Geschäftsbanken keinen geeigneten Nachfolger erkennen können, sei es aus persönlichen Gründen (fehlende Motivation oder fehlendes Know-how der Kinder) oder weil keine entsprechenden Mittel für eine weitere Finanzierung durch Eigenkapital bei hohem Schuldenstand vorhanden sind.
Rz. 5
Weiteres Erfordernis ist die Sicherung des Unternehmensvermögens. Eine Beeinträchtigung ist z. B. durch Streitigkeiten während einer Übergangsphase möglich. Dies kann bei der gesetzlichen Erbfolge der Fall sein, da bei einer Erbengemeinschaft alle Entscheidungen von den Erben gemeinsam getroffen werden müssen. Da bei einer Erbengemeinschaft jeder Erbe jederzeit die Auseinandersetzung verlangen kann, jedoch ein wirtschaftlich tätiges Unternehmen auf schnelle und eindeutige Entscheidungen der Unternehmen...