5.12.4.1 Ausgleichszahlungen
Rz. 220
Der Schenker verfügt häufig – neben dem zu übergebenden Unternehmen – nicht über ausreichend weiteres Vermögen, um alle Abkömmlinge gleich zu behandeln. Gleichwohl möchte er das Unternehmen in seiner Substanz (d. h. gegenständlich) erhalten und in dieser Form auch weitergeben, gleichzeitig aber auch eine wenigstens annähernde wirtschaftliche Gleichbehandlung seiner Kinder erreichen. Als Gestaltungsmittel bietet sich hier eine Schenkung des Gewerbebetriebs unter Vereinbarung von Ausgleichszahlungen an, wenn der Beschenkte wirtschaftlich in der Lage ist, einen entsprechenden Ausgleich zu zahlen. Die Ausgleichszahlung an Geschwister (Dritte) wird im steuerlichen Kontext auch Gleichstellungsgeld genannt. Das Gleichstellungsgeld ist Entgelt für den Gewerbebetrieb und zwar unabhängig davon, ob der Beschenkte dies aus dem eigenen oder übernommenen Vermögen leistet, d. h. es kann insoweit dazu führen, dass die Vermögensübertragung nach der Einheitstheorie als voll unentgeltlicher oder voll entgeltlicher Vorgang mit den entsprechenden einkommensteuerlichen Folgen zu qualifizieren ist (Rz. 207ff.)..
Rz. 221
Um eine Gewinnrealisierung bei der Betriebsübertragung gegen Gleichstellungsgeld zu vermeiden, bietet es sich an, dass der Übergeber vor der Übertragung liquide Mittel dem Betrieb entnimmt und diese selbst dem Dritten zuwendet.
Zahlung von Gleichstellungsgeld
Das vom Vater auf den Sohn übertragene Einzelunternehmen hat einen Verkehrswert von 1 Mio. EUR und einen steuerlichen Buchwert (Kapitalkonto) von 500.000 EUR; der Sohn ist nach dem Schenkungs- und Übertragungsvertrag verpflichtet, seinem Bruder zum Ausgleich einen Betrag von 250.000 EUR zu zahlen.
Da das Gleichstellungsgeld den steuerlichen Buchwert nicht übersteigt, handelt es sich einkommensteuerlich um einen voll unentgeltlichen Vorgang (Einheitstheorie), d. h. für den Vater und den Sohn ergeben sich wegen § 6 Abs. 3 EStG keine einkommensteuerlichen Belastungen. Aus schenkungsteuerlicher Sicht handelt es sich um eine gemischte Schenkung, wobei die Begünstigungen für Betriebsvermögen anwendbar sind (§§ 13a, 13b, 13c und § 28a ErbStG). Die Zahlung des Gleichstellungsgelds ist zwar grundsätzlich abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 ErbStG). Es kann wegen § 10 Abs. 6 S. 4 ErbStG aber nur insoweit abgezogen werden, als es auf nicht begünstigtes Vermögen entfällt.
Bei der Zahlung des Gleichstellungsgelds handelt es sich um eine freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 ErbStG) an den Bruder. Fraglich ist jedoch, ob die Zuwendung als vom Vater (Freibetrag: 400.000 EUR) oder seitens des Bruders (Freibetrag: 20.000 EUR) ausgeführt gilt. Nach der Rspr. des BFH handelt es sich um eine freigebige Zuwendung des Vaters an den Bruder. Da sich der Sohn zur Zahlung des Gleichstellungsgelds vertraglich verpflichtet hat, fehlt es bei ihm am Merkmal der Freigebigkeit.
5.12.4.2 Wegzugsbesteuerung § 6 AStG
Rz. 222
Personen, die gem. § 17 EStG an (in- oder ausländischen) Kapitalgesellschaften qualifiziert beteiligt sind, müssen bei deren Übertragung durch vorweggenommene Erbfolge die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG beachten, wenn z. B. die begünstigten Kinder nicht in Deutschland unbeschränkt stpfl. sind. Denn gem. § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG wird die Wegzugsbesteuerung auch dann ausgelöst, wenn der Schenker seine Anteile einer nicht unbeschränkt stpfl. Person zuwendet, vorausgesetzt er war zu diesem Zeitpunkt innerhalb der letzten 12 Jahre insgesamt mindestens 7 Jahre unbeschränkt stpfl. Die Rechtsfolge der Wegzugsbesteuerung ist gem. § 6 Abs. 1 S. 1 AStG die Anwendung von § 17 EStG, d. h. der Ansatz eines fiktiven Veräußerungsgewinns zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung ("dry income"). Für die Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns ist der gemeine Wert (§§ 9, 11 BewG) der Anteile maßgeblich.
Rz. 223
Bis Ende 2021 wurden die Rechtsfolgen des § 6 AStG zugunsten des Stpfl. jedenfalls bei Wegzügen in EU/EWR-Mitgliedstaaten erheblich abgemildert. Auf die stillen Reserven entfallende ESt wurde in diesen Fällen zeitlich unbegrenzt von Amts wegen ohne Sicherheitsleistung gestundet. Die Stundung wurde erst bei tatsächlicher Veräußerung der Anteile widerrufen. § 6 AStG ist diesbezüglich aber durch das ATAD-Umsetzungsgesetz erheblich verschärft worden. Seit dem 1.1.2022 ist nur noch eine ratierliche Zahlung der ESt in 7 gleichen Jahresraten – und dies i. d. R. gegen Sicherheitsleistung – möglich. Im steuerlichen Schrifttum wird insoweit immer wieder die Verletzung der Grundfreiheiten und damit die Unionsrechtswidrigkeit kritisiert.