Prof. Dr. Andreas Herlinghaus
Leitsatz
Ein Grundstückswert für ein unbebautes Grundstück kann für Bewertungsstichtage vor dem 01.01.2007 nicht festgestellt werden, wenn der Gutachterausschuss für das Grundstück keinen Bodenrichtwert ermittelt hatte.
Normenkette
§ 138, § 145 Abs. 3 BewG vor 2007, § 196 BauGB
Sachverhalt
Das Land B brachte das Krankenhaus A einschließlich Grund und Boden als Sacheinlage in die Klägerin ein. Das FA stellte den nach § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 GrEStG maßgeblichen Grundstückswert für das zum Krankenhausgelände gehörende bebaute Grundstück D auf 114 469 000 DM (58 527 070,34 EUR) fest. Es berücksichtigte dabei einen Gebäudewert von 60 860 014 DM und einen Bodenwert von 53 609 535 DM. Letzterer entsprach dem von der Klägerin mitgeteilten Verkehrswert und war niedriger als der Wert, der sich ergibt, wenn man von dem wegen des Fehlens eines vom Gutachterausschuss für das Krankenhausgelände ermittelten Bodenrichtwerts vom FA geschätzten Bodenrichtwert von 1 300 DM/qm einen Abschlag von 30 % vornimmt. Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, der gemeine Wert des Grund und Bodens sei noch niedriger, blieb erfolglos.
Während des finanzgerichtlichen Verfahrens gab das FG dem FA im Hinblick auf R 160 Abs. 1 S. 7 ErbStR 2003 auf, beim Gutachterausschuss in B eine ergänzende Bodenrichtwertermittlung zum 01.01.1996 für das zu bewertende Grundstück einzuholen. Der Gutachterausschuss lehnte das entsprechende Ersuchen mit der Begründung ab, er ermittle für das Krankenhausgelände keine Bodenrichtwerte, weil der Bebauungsplan für das Gelände die zulässige Nutzungsart Gemeinbedarfsfläche mit der Zweckbestimmung "Krankenhaus" bestimme. Eine privatnützige Verwendung wie in Gebieten mit baureifen Grundstücken sei deshalb ausgeschlossen, weil es an einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr fehle.
Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.06.2009, 3 K 3332/04 B, Haufe-Index 2285539) setzte den Grundstückswert auf 83 974 000 DM (42 935 224 EUR) herab und führte zur Begründung aus, das Fehlen eines vom Gutachterausschuss ermittelten Bodenrichtwerts stehe der Feststellung eines Grundstückswerts für das zu bewertende Grundstück unter Ansatz eines Werts für den Grund und Boden nicht entgegen. Der Bodenrichtwert müsse aufgrund der Bodenrichtwerte für angrenzende vergleichbare Bodenrichtwertzonen geschätzt werden. Die vom FA vorgenommene Schätzung des Bodenrichtwerts sei daher nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe aber den im Urteil angesetzten niedrigeren Bodenwert durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen. Der nachgewiesene Bodenwert betrage 23 114 436 DM, der Gebäudewert unverändert 60 860 014 DM. Den Bodenwert ermittelte das FG, indem es für eine Teilfläche von 62 016 qm (Bauland) 371 DM/qm und für die restliche Fläche von 10 650 qm (Nichtbauland) 10 DM/qm ansetzte.
Entscheidung
Der BFH gab der Revision der Klägerin einmal schon aus verfahrensrechtlichen Gründen wegen eines während des Revisionsverfahrens ergangenen Änderungsbescheids (§ 127 FGO), zum anderen aber auch in der Sache selbst statt und setzte den Grundstückswerts aus den unter Praxis-Hinweise genannten Gründen auf 60 860 014 DM (31 117 231,05 EUR) herab.
Hinweis
1. Lässt sich fürbebaute Grundstücke die übliche Miete nicht ermitteln, so bestimmt sich der Wert gem. § 147 Abs. 1 S. 1 BewG nach der Summe des Werts des Grund und Bodens und des Werts der Gebäude. Dies gilt nach § 147 Abs. 1 S. 2 BewG unter anderem, wenn die Gebäude zu Spezialnutzungen errichtet worden sind und nicht oder nur mit erheblichem Aufwand für andere Zwecke nutzbar gemacht werden können. Zu den Spezialnutzungen gehört insoweit – so wie dies jetzt der BFH in Übereinstimmung mit R 178 Abs. 1 S. 3 ErbStR 2003 klarstellt – auch die Verwendung als Klinik.
2. In den in § 147 Abs. 1 BewG geregelten Fällen ist der Wert des Grund und Bodens gem. § 145 i.V.m. § 147 Abs. 2 S. 1 BewGwie bei unbebauten Grundstücken, aber mit der Maßgabe zu ermitteln, dass anstelle des in § 145 Abs. 3 BewG vorgesehenen Abschlags von 20 % ein solcher von 30 % tritt. Der Wert unbebauter Grundstücke wiederum bestimmt sich nach § 145 Abs. 3 S. 1 und 2 i.V.m. § 138 Abs. 4 BewG nach ihrer Fläche und den um 20 % ermäßigten Bodenrichtwerten, die "die Gutachterausschüsse auf den 01.01.1996 nach dem BauGB ermittelt und den FA mitgeteilt haben". Der Steuerpflichtige kann allerdings nach § 145 Abs. 3 S. 3 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen.
a) |
Bei den Bodenrichtwerten handelt es sich um durchschnittliche Lagewerte für den Boden, die die Gutachterausschüsse (§ 192 BauGB) aufgrund der Kaufpreissammlung (§ 193 Abs. 3, § 195 BauGB) für jedes Gemeindegebiet unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands, mindestens jedoch für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland, zu ermitteln haben. In bebauten Gebieten sind die Bodenrichtwerte nach § 196 Abs. 1 S. 2 BauGB mit dem Wert zu ermitteln, der sich ergeben würde, wenn der Boden unbebaut wäre. Für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Gru... |