Dipl.-Kfm. Martin Kreuzer, Dipl.-Kfm. Wolfgang Schlesner
Zusammenfassung
- Im Zuge der Digitalisierung bemühen sich differenzierte Konzerne, bestehend aus mehreren diversen Teilkonzernen, eine Harmonisierung und Standardisierung über alle Teilkonzerne hinweg umzusetzen, um Effizienzvorteile zu gewinnen.
- Große unternehmerische Freiheit der Teilkonzerne bietet ebenso Vor- und Nachteile wie die komplette Standardisierung der Finanzprozesse. Der Projektansatz Group 1 Finance kombiniert die Vorteile und vermindert die Nachteile.
- Durch die Einführung von Strategic Business Units kann die operative Unternehmenssteuerung zielgerichtet und effizient umgesetzt werden.
- Durch die Nutzung eines konzernweiten einheitlichen Kostenrahmens kann der Grad der Standardisierung in der Finanzbuchhaltung individuell und optimal an die Bedürfnisse des Konzerns angepasst werden.
- S/4HANA bietet durch ein führendes und mehrere parallele nicht-führende Ledger die Möglichkeit, verschiedene Rechnungslegungsvorschriften abzubilden.
- Der Artikel zeigt, wie ein Future Finance ERP für einen Mischkonzern einheitlich gestaltet werden kann, ohne einzelne Teilkonzerne einzuschränken. Gleichzeitig soll eine Standardisierung im Konzern erreicht werden, die die Steuerung vereinfacht und es den Teilkonzernen ermöglicht, sich auf die Geschäftsentwicklung zu fokussieren.
1 Das Praxisbeispiel: Mischkonzern will ERP-System auf S/4HANA-Basis vereinheitlichen
Konzerne sind in den letzten Jahrzehnten zu ihrem Kerngeschäftsbereich zurückgekehrt und haben dafür oftmals fremde Bereiche abgespalten. Ein Mischkonzern klassischer Form ist seltener geworden. Die Megatrends, insbesondere die Digitalisierung, führen dazu, dass in den Unternehmen wieder mehrere Geschäftsmodelle vertreten sind. Hierfür sind dezidierte Steuerungsmodelle zu entwickeln, bspw. zur Lenkung von Service-Business und Produktgeschäft. Die Trends in der Gestaltung des ERPs hin zu einem einheitlichen Kostenrechnungskreis mit identischen Stammdaten ist in solchen Unternehmens-Konstrukten einerseits nur schwer abbildbar, da die verschiedenen Geschäftsmodelle eigene Anforderungen anmelden. Andererseits müssen auch rechtliche Anforderungen erfüllt sein, wie bspw. in regulierten Industrien. Der vorliegende Artikel soll näher erläutern, wie ein Future Finance ERP für einen Mischkonzern einheitlich gestaltet werden kann, ohne einzelne Teilkonzerne einzuschränken. Gleichzeitig soll eine Standardisierung im Konzern erreicht werden, welche die Steuerung vereinfacht und es den Teilkonzernen ermöglicht, sich auf die Geschäftsentwicklung zu fokussieren.
Der in diesem Beitrag dargestellte fiktive Mischkonzern operiert in einer Teilkonzernstruktur mit einer Konzernholding und darunter liegenden Teilkonzernen. Die Teilkonzerne sind in ihrer Wertschöpfung und Kundenstruktur vollkommen unterschiedlich. Abb. 1 stellt diese Struktur grafisch dar.
Abb. 1: Aufbau des Beispiel-Mischkonzerns
Im Folgenden werden die 6 verschiedenen Einheiten des Mischkonzerns beschrieben.
- Die Konzernholding hat kein operatives Geschäft. Bis auf vereinzelte Funktionen, die aus Sicht der Holding gesteuert werden (z. B. HR oder Finanzierungsgeschäfte), wurde den Teilkonzernen vollständige unternehmerische Freiheit in der Entwicklung ihres Geschäfts erteilt. Auf Grund des technischen Fortschritts sollen alle Teilkonzerne nun SAP S/4HANA einführen. Die Konzernholding möchte damit Synergien erzielen und dort, wo möglich, eine Harmonisierung durchführen, um die Transparenz zu erhöhen.
- Teilkonzern 1 ist Hersteller von Industriegütern. Dieser ist charakterisiert durch eine hohe Heterogenität in den SAP-Systemen. Es wird in fünf Hauptstandorten gearbeitet und produziert.
- Teilkonzern 2 ist ein Anbieter für Systemlösungen der öffentlichen Hand. Es handelt sich mehrheitlich um Projektgeschäft. Der Teilkonzern unterliegt den Mechanismen der öffentlichen Hand und muss rechtliche Anforderungen an die Transparenz (bspw. Preisprüfung, Kalkulationsprüfung) sicherstellen. Weiterhin arbeitet der Teilkonzern mit vielen Partnerfirmen zusammen und führt einige Tochtergesellschaften als Joint Ventures.
- Teilkonzern 3 ist Anbieter von Metallprodukten. Der Teilkonzern zeichnet sich durch die hohe Abhängigkeit von Börsenpreisen und erhöhten Anforderungen an die Materialwirtschaft aus. Der Teilkonzern arbeitete besonders in den komplizierten Bereichen der Kalkulation und Materialwirtschaft bisher viel mit Excel.
- Teilkonzern 4 ist Anbieter von Speziallösungen im Industriebereich. Das Geschäft ist geprägt von wenigen Kunden und einem hohen Preis- und Kostendruck. Der Teilkonzern ist schon weit fortgeschritten mit der Harmonisierung der ERP Systeme.
- Teilkonzern 5 ist Anbieter von Speziallösungen für große Maschinen. Es wird mehrheitlich in Projekten gearbeitet, die im Durchschnitt eine Laufzeit von 20 Jahren aufweisen. Es gibt nur wenige Kunden.
Der Konzern weist in den Teilkonzernen ein vollkommen differenziertes Geschäft auf. Um eine größtmögliche Schnittmenge für eine sinnvolle Harmonisierung zu identifizieren, die es dem Teilkonzernen trotzdem ermöglicht, die unternehmerische Freiheit zu bewahren, wurden Horváth & Partners für ...