Leitsatz
Gegenstand eines (Kaufrechts-)Vermächtnisses, durch das der Erblasser dem Bedachten das Recht einräumt, einen Nachlassgegenstand zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Preis zu erwerben, ist das durch den Erbfall begründete Gestaltungsrecht, das mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist; dieser ist mangels anderer Wertmaßstäbe nach dem Verkehrswert des Gegenstands zu schätzen, auf den sich das Übernahmerecht bezieht. Die Steuer für diesen Erwerb entsteht erst, wenn der Bedachte das Recht geltend macht.
Normenkette
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG , § 9 Abs. 1 BewG
Sachverhalt
Der Kläger und seine Schwester sind zu je 1/2 Miterben ihrer Mutter. Zu deren Nachlass gehörte ein Grundstück mit einem erhöhten Einheitswert von 46 480 DM und einem Verkehrswert von 185 000 DM. Die Mutter hatte dem Kläger das Vorausvermächtnis eingeräumt, dieses Grundstück innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Tod zum Preis von 2/3 des Verkehrswerts zu übernehmen. Demgemäß übertrug der Testamentsvollstrecker dem Kläger das Grundstück gegen Zahlung von 61 667 DM (= 1/3 des Verkehrswerts) an die Schwester.
Das FA behandelte das Übernahmerecht als Vorausvermächtnis des der Schwester zustehenden Anteils am Grundstück. Es bewertete das Übernahmerecht mit (92 000 DM – 61 667 DM =) 30 833 DM. Der Kläger verlangte dagegen, den Wert des Übernahmerechts durch Abzug des Übernahmepreises vom Steuerwert des Grundstücks zu ermitteln. Sowohl die Klage als auch die Revision blieben erfolglos.
Entscheidung
Gegenstand des Kaufrechtsvermächtnisses ist nach Ansicht des BFH das Übernahmerecht und nicht der durch dessen Ausübung entstehende Übertragungsanspruch. Das Übernahmerecht ist ein Gestaltungsrecht, das bereits einen wirtschaftlichen Vorteil verkörpert. Liegt der Preis unter dem Verkehrswert der Kaufsache, ist der Bedachte bereits durch den Erwerb des Übernahmerechts im Sinn von § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bereichert. Die Steuer entsteht allerdings erst mit der Geltendmachung des Rechts, weil der mit dem Erwerb verbundene Vorteil sich erst dadurch realisiert.
Für die Bewertung folgt daraus, dass das Übernahmerecht nicht mit dem Einheitswert des Grundstücks, sondern mit dem gemeinen Wert zu bewerten ist, der mangels anderer Wertumstände nach dem Verkehrswert der Kaufsache zu schätzen ist.
Hinweis
Da nach der Rechtsprechung des BFH der Sachleistungsanspruch aus einem reinen Sachvermächtnis mit dem Steuerwert des Gegenstands bewertet wird, auf den er gerichtet ist, sollte aus der Sicht des Vermächtnisnehmers statt eines Kaufrechtsvermächtnisses möglichst ein reines Sachvermächtnis verfügt werden. Aus der Sicht der Erben ergibt sich eine andere Perspektive.
Dem Gestaltungsrecht des Vermächtnisnehmers steht vor dessen Ausübung auf Seiten des Erben noch keine abziehbare Verbindlichkeit gegenüber. Mit der Ausübung des Gestaltungsrechts aber entsteht eine Sachleistungspflicht des Erben, die ebenfalls mit dem gemeinen Wert des Gegenstands, der zu übertragen ist, bewertet und als aufschiebend bedingte Verpflichtung mit Bedingungseintritt erfasst werden müsste.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.6.2001, II R 76/99