Leitsatz
1. Geldwerte Vorteile aus einem Aktienoptionsprogramm stellen im Regelfall als Anreizlohn eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar. Abweichend hiervon können Entgelte für frühere Arbeitsleistungen angenommen werden, wenn die Tatumstände ergeben, dass konkrete Arbeitserfolge zusätzlich entlohnt werden sollten.
2. Mehrjährigkeit erfordert, dass zwischen Einräumung und Erfüllung des Optionsrechts mehr als zwölf Monate liegen und der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum auch beschäftigt war.
3. Der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG steht weder entgegen, dass wiederholt Aktienoptionen eingeräumt werden noch dass die jeweils gewährte Option nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt wird.
Normenkette
§ 34 Abs. 3 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin war seit 1991 bei der Firma X-GmbH beschäftigt. Sie beteiligte sich 1991 am Aktionsoptionsprogramm der Muttergesellschaft der GmbH, was zu einem Bezugsrecht von 325 X-Aktien führte. Entsprechend den Optionsbedingungen nahm die Klägerin in den Jahren 1993 und 1994 die Optionen nur teilweise in Anspruch. Im September 1996 schied die Klägerin aus der GmbH aus. Vereinbarungsgemäß nahm sie die verbliebenen 145 Optionen in Anspruch. Dies führte zu einer Gutschrift von rd. 110.594 DM.
Diesen Betrag erfasste das FA als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Antrag der Klägerin, den geldwerten Vorteil nach § 34 Abs. 3 EStG ermäßigt zu besteuern, blieb auch vor dem FG erfolglos.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Die Voraussetzungen der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG a.F. seien gegeben. Der Anwendung der Tarifermäßigung stehe nicht entgegen, dass die Optionsrechte zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgeübt worden seien. Die Bezüge aus der Ausübung der im Streitjahr 1997 verbliebenen Optionsrechten seien tarifbegünstigt zu besteuern.
Hinweis
1. In verschiedenen Urteilen hat der VI. Senat nunmehr eine der noch streitig gebliebenen Fragen zur Ausübung von (nicht handelbaren) Aktienoptionsrechten entschieden, und zwar hier die Frage, ob geldwerte Vorteile aus Aktienoptionen tarifbegünstigt besteuert werden können. Der BFH hat diese Frage vor allem mit der vorliegenden Besprechungsentscheidung bejaht.
2. Bisher wurde insbesondere bereits entschieden, dass Vorteile aus Aktienoptionen in demjenigen Jahr zu einem Lohnzufluss führen, in dem die Ansprüche aus den Optionsrechten erfüllt werden (vgl. u.a. BFH, Urteile beide vom 24.1.2001, I R 100/98, BFH-PR 2001, 210, I R 119/98, BFH-PR 2001, 212; vom 20.6.2001, VI R 105/99, BFH-PR 2001, 336). Dabei errechnet sich der Vorteil aus der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis der Aktien am Verschaffungstag und den diesbezüglichen Aufwendungen des Arbeitnehmers.
3. Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des I. Senats (siehe Urteil in BFH-PR 2001, 210) sieht auch der VI. Senat Aktienoptionsrechte i.d.R. als Anreizlohn an. Denn derartige Optionsrechte werden regelmäßig nicht gewährt, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Leistungen abzugelten, sondern um eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu bewirken. Dementsprechend stellen sie als Anreizlohn im Regelfall eine Vergütung für die Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung dar und vergüten eine mehrjährige Tätigkeit. Voraussetzung ist, dass die tatsächliche Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist. Kein Anreizlohn liegt vor, wenn sich im Einzelfall feststellen lässt, dass mit der eingeräumten Option konkrete frühere Arbeitsleistungen – ähnlich einer Tantieme – zusätzlich entlohnt werden sollten.
3. Häufig wird (vereinfachend) von (nur) einer Option bzw. einem Optionsrecht gesprochen, obgleich eine Mehrzahl von Optionen (Optionsrechten) vorliegt. Diese sprachliche Ungenauigkeit hat etwas den Blick auf die vom BFH vertretene zutreffende Lösung verstellt. Für den BFH ist entscheidend, dass jede der (einzelnen) Optionen eine Entlohnung für den Erdienungszeitraum darstellt. Hiervon ausgehend kann die Tarifermäßigung für eine mehrjährige Tätigkeit nicht allein dadurch entfallen, dass Aktienoptionen wiederholt eingeräumt werden. Nicht wesentlich ist auch, wenn die jeweils eingeräumte Optionstranche (d.h. eine Mehrzahl von Optionsrechten) nicht in vollem Umfang einheitlich, sondern in Etappen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgeübt wird. Für die vom BFH vertretene Auffassung spricht auch das Argument, dass damit eine Gleichbehandlung mit solchen Arbeitnehmern erreicht wird, die bei einer geringeren Anzahl von Optionsrechten und einheitlicher Ausübung die nämlichen Vorteile erlangen.
4. Im Streitfall war die ESt 1997 streitig. Für die Tarifermäßigung war folglich noch die Vorschrift des § 34 Abs. 3 EStG (a.F. bis einschl. VZ 1998) einschlägig (sog. Drittelungsregelung). Nach neuem Recht richtet sich die Tarifermäßigung (sog. Fünftelungsregelung) nach § 32 Abs. 2 Nr. 4 EStG. An den o.a. Rechtsprechungsgrundsätzen dürfte sich nicht deshalb etwas ändern, weil der Begüns...