Leitsatz

1. Eine Stiftung ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie gemeinnützigen Zwecken i. S. von §§ 51 ff. AO dient und dabei Gewinne aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben selbstlos, d. h. nicht in erster Linie für eigenwirtschaftliche Zwecke (§ 55 Abs. 1 AO) verwendet.

2. Eine Körperschaft verfolgt nicht allein deswegen in erster Linie eigenwirtschaftliche und damit nicht selbstlose Zwecke i. S. von § 55 Abs. 1 AO, weil sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält und dessen unternehmerischen Aktivitäten die gemeinnützigen übersteigen.

3. Dem Gebot, die Mittel der Körperschaft nur zu steuerbegünstigten Zwecken verwenden zu dürfen, unterliegen grundsätzlich auch die Gewinne aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.

4. Das Gebot der selbstlosen Mittelverwendung erfasst aber nur solche durch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erwirtschaftete Gewinne, die bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung nicht zur ≪≫Sicherung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ≪tbenötigt werden.

5. Ein sachgerechter gemeinnütziger Mitteleinsatz verlangt eine planerische Überlegungszeit, die um so länger ist, je höher die einzusetzenden Mittel sind. Jedoch ist es der Körperschaft nicht gänzlich überlassen, die Verwirklichung gemeinnütziger Zwecke durch eine ständige Verlängerung der Planungsfrist hinauszuschieben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.07.1998, I R 156/94

Anmerkung:

Das vorstehende Urteil verdient die Aufmerksamkeit von Vorständen gemeinnütziger Körperschaften infolge seiner großzügigen Haltung zur Verwendung betrieblich erwirtschafteter Gewinne. Die Klägerin, eine Stiftung des privaten Rechts, hatte von ihrem Stifter ein auf dem Weltmarkt aktives Unternehmen übertragen erhalten, um Kranke und Behinderte zu unterstützen. Während sich das Vermögen der Stiftung innerhalb der nächsten drei Jahre verdreifacht hatte, hatte sie nur verhältnismäßig bescheidene Mittel für gemeinnützige Zwecke aufgewendet.

Gegen die Annahme des FA, sie habe in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, wendete die Klägerin ein, das von ihr betriebene Unternehmen habe nur durch sein Wachstum eine Überlebenschance auf dem Weltmarkt gehabt. Ihr folgend hob der BFH die Körperschaftsteuerbescheide wegen fortbestehender Gemeinnützigkeit der Klägerin auf. Er billigte ihr das Recht zu, die durch ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erwirtschafteten Gewinne vorrangig für dessen betriebswirtschaftlich notwendiges Wachstum zu verwenden, wenn sie wenigstens nach einer Planungsphase ihre Aufwendungen für gemeinnützige Zwecke beträchtlich zu erhöhen gedenke.

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