Leitsatz
1. Dem Gebot zeitnaher Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) ist nicht nur dann Genüge getan, wenn das konkrete Guthaben, das auf einem projektbezogenen Bankkonto der gemeinnützigen Körperschaft durch Spendeneingänge entstanden ist, innerhalb der gesetzlichen Mittelverwendungsfrist für die gemeinnützigen Zwecke verwendet wird. Es genügt vielmehr, wenn die projektbezogenen Aufwendungen innerhalb der gesetzlichen Frist von einem anderen Bankkonto der gemeinnützigen Körperschaft bezahlt werden.
2. Eine Körperschaft fördert schon dann den Umweltschutz (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO), wenn sie Maßnahmen durchführt, die "darauf gerichtet sind", u.a. die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zu sichern. Für die Gewährung der Steuerbegünstigung kommt es weder auf den tatsächlichen Erfolg der Maßnahme noch auf die Vollendung der Förderung an.
3. Das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO ist im Hinblick auf die Grenzen der allgemeinpolitischen Betätigung einer steuerbegünstigten Körperschaft noch gewahrt, wenn die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, das das Eintreten für die satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert und zulässt, die von der Körperschaft zu ihren satzungsmäßigen Zielen vertretenen Auffassungen objektiv und sachlich fundiert sind und die Körperschaft sich parteipolitisch neutral verhält.
Normenkette
§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8, § 55 Abs. 1 Nr. 5, § 56 AO, Art. 20a GG, § 9 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 10b Abs. 4 Satz 2 EStG, § 68 FGO
Sachverhalt
Ein Verein, der den Umweltschutz durch zahlreiche Einzelprojekte fördert, erhielt von dem Kläger eine zweckgebundene Spende. Sie sollte zur Unterstützung der Durchführung eines Volksbegehrens verwendet werden, das sich für die Rekommunalisierung von Energienetzen einsetzte. Der Verein stellte hierfür dem Spender eine Zuwendungsbestätigung aus.
Das FA erließ einen Haftungsbescheid gemäß § 9 Abs. 3 KStG, da der Umweltschutz durch dieses Volksbegehren nicht unmittelbar gefördert werde und die Unterstützung eines Volksbegehrens eine unzulässige politische Betätigung darstelle.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, der Verein habe seine Aufwendungen für das Volksbegehren von einem anderen Bankkonto bezahlt und nicht von dem Projekt-Spendenkonto, auf das die Spende eingezahlt worden war (FG Hamburg, Urteil vom 25.2.2015, 5 K 135/12, Haufe-Index 9065331, EFG 2016, 534).
Entscheidung
Der BFH sah demgegenüber die Anforderung an die zeitnahe Mittelverwendung als erfüllt an. Er konnte sich zudem nicht der Argumentation des FA anschließen, der Kläger habe mit seinem Eintreten für die Rekommunalisierung der Energienetze nicht mehr dem Ziel des Umweltschutzes gedient. Wegen anderer noch offener Fragen wurde das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Die Verantwortlichen größerer gemeinnütziger Institutionen dürften aufatmen: Der BFH hat der "geldscheinbezogenen" Betrachtung bei der Verwendung von projektgebundenen Geldern eine Absage erteilt.
Zur Erfüllung des gemeinnützigkeitsrechtlichen Gebots zeitnaher Mittelverwendung ist es nicht notwendig, genau den konkreten, von einem Spender zugewendeten Geldschein oder genau das auf einem bestimmten Bankkonto der Körperschaft durch Spendeneingänge entstandene Guthaben innerhalb der gesetzlichen Frist für die gemeinnützigen Zwecke zu verwenden. Vielmehr genügt es, wenn die projektbezogenen Aufwendungen von einem anderen Bankkonto der Körperschaft bezahlt werden. Der Zweck des § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO, die Verhinderung einer übermäßigen Mittelansammlung, fordert keine "Geldschein"- oder "Bankkonto"-bezogene Betrachtung. Entscheidend ist daher allein eine Saldo-Betrachtung.
2. Der BFH stellt zudem klar, dass es auf den tatsächlichen Erfolg einer Maßnahme der gemeinnützigen Körperschaft oder auf die Vollendung der Förderung nicht ankommt. Ausreichend ist vielmehr, dass die entfaltete Tätigkeit ein geeignetes Mittel zur Erreichung des in § 52 Abs. 2 AO genannten Gemeinwohlzwecks darstellt. Diese Auslegung, die eine effektive Förderung des Schutzzwecks der Gemeinwohlziele "Umweltschutz" und "Naturschutz" ermöglicht, ist auch deshalb geboten, weil der "Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen" in Art. 20a GG als Staatszielbestimmung verankert ist.
3. Interessant sind auch die Aussagen des BFH zur politischen Betätigung einer gemeinnützigen Körperschaft:
- Das Betreiben oder Unterstützen von Parteipolitik ist immer gemeinnützigkeitsschädlich.
- Äußerungen, die zwar insofern als "politisch" anzusehen sind, als sie das Gemeinwesen betreffen, die aber zugleich parteipolitisch neutral bleiben, stehen der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft nicht grundsätzlich entgegen. Dies gilt wegen der Erkenntnis, dass der Umweltschutz durch staatliche Maßnahmen in besonders wirksamer Weise gefördert werden kann, vor allem für Körperschaften, die den Umweltschutz fördern.
- Die politische Einflussnahme darf die anderen von der Körperschaft entfalteten Tätigkeiten jedenfalls nicht "weit überwieg...