Leitsatz
Die Artikel 2, 5 Absatz 6 und 6 Absatz 2 Buchstabe b der 6. EG-RL sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der Umsätze, für die eine tatsächliche Gegenleistung gezahlt wird, als Entnahme eines Gegenstands oder Erbringung einer Dienstleistung für den privaten Bedarf angesehen werden, auch wenn diese Gegenleistung unter dem Selbstkostenpreis für den gelieferten Gegenstand oder die erbrachte Dienstleistung liegt.
Normenkette
Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-RL , Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL , Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL (vgl. ? 3 Abs. 1b und Abs. 9a und ? 10 Abs. 4 UStG)
Sachverhalt
Ein schwedisches Unternehmen, Scandic, wollte sichergehen, dass das FA auch dann die vereinbarte Gegenleistung als Bemessungsgrundlage heranziehen werde, wenn sie – anders als bisher – unter den Selbstkosten liegen werde. Die Finanzverwaltung verwies auf die schwedische Regelung, wonach die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage anzusetzen seien.
Entscheidung
Der EuGH hielt die schwedische Regelung für richtlinienwidrig. Liegt keine "symbolische Gegenleistung" vor – die offensichtlich nur dem Zweck der Vermeidung der Folgen der Eigenverbrauchstatbestände dient – ist stets (nur) die vereinbarte Gegenleistung Bemessungsgrundlage. Die Vorstellung, es gebe im Umsatzsteuerrecht teilentgeltliche Rechtsgeschäfte mit einem – jeweils getrennt zu beurteilenden – entgeltlichen und einem (als Eigenverbrauch zu versteuernden) unentgeltlichen Teil, dürfte damit ad acta zu legen sein.
Hinweis
Das Urteil betrifft eine schwedische Regelung, die im deutschen Umsatzsteuerrecht keine Parallele hat. Dennoch ist sie beachtenswert zur Frage, ob zivilrechtlich teilentgeltliche Rechtsgeschäfte umsatzsteuerrechtlich als zwei Teile beurteilt werden könnten. "Nein", ist die Antwort, und dies aus folgenden Gründen:
1. Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-RL stellt die Entnahme von Gegenständen für den privaten Bedarf, für den Bedarf des Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder überhaupt für unternehmensfremde Zwecke einer Lieferung gegen Entgelt gleich (vgl. ? 3 Abs. 1b UStG). Vergleichbares gilt nach Art. 6 Abs. 2 der 6. EG-RL für Verwendung von dem Unternehmen zugeordneten Gegenständen und die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen (vgl. ? 3 Abs. 9a UStG).
Die schwedische Umsatzsteuerregelung zum "Eigenverbrauch" sah vor, dass als Entnahme eines Gegenstands oder Erbringung einer Dienstleistung für den privaten Bedarf etc. auch anzusehen ist, wenn solche Leistungen zwar nicht unentgeltlich abgegeben werden, wenn aber die vereinbarte Gegenleistung unter dem Selbstkostenpreis für den gelieferten Gegenstand oder die erbrachte Dienstleistung liegt und eine solche Ermäßigung nicht durch die Marktbedingungen bestimmt wird. Hintergrund für die Regelung war die Überlegung, dass die Entnahmetatbestände verhindern sollen, dass der Steuerpflichtige oder sein Personal gegenüber anderen Verbrauchern in den Genuss ungerechtfertigter Vorteile kommen und ohne diese zusätzliche Einschränkung dieses Ziel nicht erreicht wird. Ob diese Regelung richtlinienkonform sei, war die dem EuGH vorgelegte Frage.
Der EuGH hat das verneint. Die Entnahmetatbestände der 6. EG-RL betreffen nur unentgeltliche Leistungen; für teilentgeltliche Leistungen sind sie nicht anwendbar, denn
- Besteuerungsgrundlage ist bei entgeltlich ausgeführten Leistungen nach der allgemeinen Regel – Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst a der 6. EG-RL (? 10 Abs. 1 UStG) – die tatsächlich dafür erhaltene Gegenleistung. Diese Gegenleistung stellt also den subjektiven, nämlich tatsächlich erhaltenen Wert und nicht einen nach objektiven Kriterien geschätzten Wert dar, der in Geld ausgedrückt werden können muss (Rz. 21).
- unerheblich ist, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit zu einem Preis unter oder über dem Selbstkostenpreis ausgeführt wird, wenn es darum geht, einen Umsatz als "entgeltlichen Umsatz" zu qualifizieren. Dieser Begriff setzt nämlich lediglich das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Lieferung von Gegenständen oder der Erbringung von Dienstleistungen und der Gegenleistung voraus, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat (Rz. 22).
- die Entnahmetatbestände stellen bestimmte Umsätze, für die der Steuerpflichtige keine tatsächliche Gegenleistung erhalten hat, entgeltlich ausgeführten Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen gleich. Der Zweck dieser Bestimmungen besteht darin sicherzustellen, dass der Steuerpflichtige, der für seinen privaten Bedarf oder den seines Personals einen Gegenstand entnimmt oder eine Dienstleistung erbringt, und der Endverbraucher, der einen Gegenstand oder eine Dienstleistung gleicher Art erwirbt, gleich behandelt werden. Diesem Zweck dienen die Eigenverbrauchstatbestände (Rz. 23).
- Die Gefahr, dass durch Vereinbarung eines symbolischen Preises der Zweck der Eigenverbrauchstatbestände umgangen werden kann, rechtfertigt keinen Antrag auf Erlass abweichender Maßnahmen nach Art. 27 der 6. EG-RL (Rz. 26).
2. Ausdrücklich...