Prof. Oliver Gassmann, Roman Sauer
Die folgenden Fallbeispiele verdeutlichen, wie durch das gründliche Verständnis eines Kundenproblems auf Basis von generischen Geschäftsmodellmustern neue Kundenlösungen und Geschäftsmodelle entwickelt wurden.
6.1 Philips Lighting Solutions
Wert?
Die Finanzierung für Philips erfolgt über die technologisch erreichte Energieeffizienz: Da mit Philips Lighting Solutions geringere Energiekosten möglich werden, entsteht eine Marge, über die das Modell finanziert wird (e. g. Initialinvestments für Lampen, Steuerung; entfällt i. d. R.). Ein wesentlicher Mehrwert für Philips ist es weiterhin, seine Erlösströme kontinuierlich und planbar zu generieren. Alle Geschäftsprozesse, die zur Befriedigung des Kundenbedürfnisses "beleuchtete Räume" und dem konkreten Output "Licht" notwendig sind, werden von Philips übernommen.
Was?
Philips Lighting Solutions bietet Energie- und Kosteneinsparung durch den Einsatz von effizienten LED-Leuchtmitteln. Das Management von Leuchtmitteln, Lampen, Steuerung, Wartung, Instandhaltung und weiteren Elementen wird von Philips übernommen. Der Kunde erhält eine Garantie für beleuchtete Fazilitäten und wird bei sekundären unterstützenden Tätigkeiten wie dem Gebäudemanagement entlastet. Dadurch kann er sich auf seine Kernprozesse fokussieren (Solution Provider, Performance Based Contracting, Guaranteed Availability).
Wert?
Durch die hohe Integration von Philips in die Infrastruktur des Unternehmens, um die Kundenbedürfnisse bestmöglich und individuell zu befriedigen, ist ein direkter Kundenkontakt erforderlich (Direct Selling). Philips ermöglicht es, durch die Kooperation mit Banken hohe Initialkosten für die Kunden zu verhindern, und erhält stattdessen monatliche Gebühren in Höhe der eingesparten Energiekosten.
Solution Provider
Ein Full Service Provider bietet vollständige Abdeckung von Produkten und Dienstleistungen in einem bestimmten Bereich, meist über eine einzige Anlaufstelle. Spezielles Know-how wird an den Kunden vergeben, um seine Effizienz oder Leistungsfähigkeit zu verbessern. Als Full Service Provider kann ein Unternehmen mögliche Umsatzausfälle besser kompensieren, indem es den Service um das Produkt ausweitet.
Performance Based Contracting
Das Unternehmen verkauft nicht die Produkte, beispielsweise Maschinen, an Kunden, sondern liefert das Resultat als eine Dienstleistung, die danach leistungsbasiert vergütet wird. Leistungsabhängige Vertragspartner sind oft stark in den Wertschöpfungsprozessen der Kunden integriert. Spezielles Know-how und Skaleneffekte führen zu niedrigeren Produktions- und Wartungskosten, die an den Kunden weitergeleitet werden können.
6.2 Uber
Das Geschäftsmodell
Die Mobilitätsbranche beschränkte sich lange Zeit auf den Besitz von Fahrzeugen und wurde erst spät durch das Modell der Autovermietung ergänzt. Mit Beginn des digitalen Zeitalters überschlug sich das Aufkommen neuer Konzepte wie z. B. das Car-Sharing. Zunehmend zeichnet sich ein Trend hin zu Peer-to-Peer Modellen und zur intermodalen Mobilität ab. Im Kampf um eine nachhaltige und dominante Wettbewerbsposition greift Uber das traditionelle Gewerbe der Taxifahrer an, indem es bewährte Geschäftsmodellmuster aus anderen Branchen neu kombiniert und auf die Mobilitätsbranche projiziert.
Was?
Das Nutzenversprechen von Uber ist die bequeme Möglichkeit, auf Knopfdruck umgehend und zum nächstmöglichen Ort eine günstige Mitfahrgelegenheit zu erhalten.
Wer?
Es werden vor allem Großstädter und vernetzte Personen mit einem spontanen und umgehenden Mobilitätsbedürfnis angesprochen, das möglichst günstig sein soll. Der Peer-to-Peer Gedanke ist dabei nicht allein auf die Vermittlung von Mobilitätsdiensten durch Privatpersonen beschränkt, sondern ist auch für Taxiunternehmen und Mietwagenfirmen attraktiv.
Wert?
Uber ist eine internetbasierte Applikation, die das Wertversprechen an den Kunden über eine zweiseitige Plattform bedient. Kunden sind Personen mit einem Mobilitätsbedürfnis auf der einen und Anbieter von Mobilitätsdiensten (Privatpersonen und Taxiunternehmen) auf der anderen Seite (Two-sided Platform).
Wert?
Als Vermittler verlangt Uber 20 % des Fahrtpreises als Kommission (Revenue Sharing).
Two-sided Market
2-seitige bzw. mehrseitige Märkte ermöglichen die Interaktionen zwischen mehreren voneinander abhängigen Gruppen von Kunden. Der Wert der Plattform steigt mit der Anzahl der Nutzer jeglicher Gruppen, die die Plattform benutzen. Die beiden Seiten kommen i. d. R. aus unterschiedlichen Bereichen.
Peer-to-Peer-Modell
Dieses Modell basiert auf dem Teilen, Austauschen, Handeln oder Mieten des Zugangs zu Angeboten durch die Zusammenarbeit von Personen, die Mitglieder einer homogenen Gruppe sind. Das Unternehmen bietet einen Treffpunkt, d. h. eine Online-Datenbank, und eine Kommunikationsdienstleistung, die diese Personen verbindet. Oft wird dieses Konzept auch als P2P abgekürzt.
Revenue Sharing
Revenue Sharing bezeichnet die Praxis, Umsatz mit Anspruchsgruppen des Unternehmens zu teilen. Es ermöglicht Unternehmen, verschiedene Partnerschaften auszunutzen, um neue Kunden zu er...