Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Eine Geschäftsveräußerung kann bei einem Einzelhändler auch dann vorliegen, wenn das Ladenlokal nicht mitübereignet, sondern an den "Erwerber" auf unbestimmte Zeit vermietet wird.
Sachverhalt
Eine nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung liegt regelmäßig nur dann vor, wenn der Erwerber den Betrieb dauerhaft fortführen kann. Deshalb ist nicht zwingend erforderlich, dass auch das Betriebsgrundstück in das Eigentum des Erwerbers übergeht, vielmehr genügt eine (langfristige) Nutzungsüberlassung. Das Merkmal der Langfristigkeit kann in der Praxis aber erhebliche Probleme bereiten. Im Streitfall wurden der Warenbestand und die Ladeneinrichtung eines Sportartikelgeschäfts veräußert und das dazugehörende Grundstück an den Erwerber vermietet. Der Mietvertrag wurde auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und konnte entsprechend den gesetzlichen Kündigungsfristen beendet werden. Das Finanzamt zweifelte an einer langfristigen Nutzungsüberlassung und ging von einem umsatzsteuerpflichtigen Verkauf der Waren und der Ladeneinrichtung aus.
Entscheidung
Die Klage vor dem Finanzgericht hatte Erfolg. Die Richter stellten zunächst nochmals klar, dass es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung ausreicht, wenn die gesamte Ladeneinrichtung und alle Warenbestände übertragen werden, nicht jedoch das Grundstück des Ladenlokals, welches fortan vermietet wird. Außerdem seien die Merkmale einer Geschäftsveräußerung im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen. Der Dauer eines abgeschlossenen Mietvertrags könne dabei keine Bedeutung dergestalt beigemessen werden, dass allein das Fehlen der Langfristigkeit eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ausschließt. Ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossener Mietvertrag reiche insoweit aus.
Hinweis
Es dürfte nicht mehr ernsthaft zweifelhaft sein, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen auch dann vorliegen kann, wenn einzelne wesentliche Wirtschaftsgüter, insbesondere auch die dem Unternehmen dienenden Grundstücke, nicht mit dinglicher Wirkung übertragen, sondern an den Erwerber vermietet oder verpachtet werden. Allerdings muss dadurch eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs beim Erwerber gewährleistet sein (vgl. A 5 Abs. 1 S. 7 ff. UStR). Weil die Umsatzsteuerrichtlinien beispielhaft das BFH-Urteil vom 28.11.2002 (V R 3/01) anführen, wonach ein Grundstück für 10 Jahre mit Verlängerungsoption vermietet worden ist, ist es nicht verwunderlich, dass bei kürzerer bzw. unbestimmter Vermietung die Finanzämter z. T. zu einem anderen Ergebnis kommen. Dabei wird dann regelmäßig das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 28.9.2004 (10 K 59/02) ins Feld geführt, das eine Vermietung über 5 Jahre (ohne Verlängerungsoption) als nicht hinreichend langfristig angesehen hat, um von einer Geschäftsveräußerung auszugehen. Das Finanzgericht Münster hat diesem Urteil nun ausdrücklich widersprochen. Der Fall zeigt, dass es in Grenzfällen nach wie vor unerlässlich ist, bei Formulierung der Verträge auf detaillierte Umsatzsteuerklauseln zu achten, die die Folgen einer abweichenden Rechtsauffassung der Finanzbehörde regeln.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 30.04.2008, 5 K 3601/04 U