Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Stimmt die in Form der Vermietung erfolgte Nutzung vor der Veräußerung und die danach erfolgende Nutzung als Vermietungsunternehmen überein, kann auch die Übertragung eines unvermieteten Grundstücks eine Geschäftsveräußerung sein.
Sachverhalt
A errichtete 1994 ein Lager-/Logistik- und Bürogebäude. Bei der Herstellung des Gebäudes nahm er den Vorsteuerabzug in Anspruch. Ab dem 1.1.1995 wurde das Grundstück umsatzsteuerpflichtig an die Y-GmbH (Messeveranstalter) vermietet. Mit Kaufvertrag vom 13.11.1997 kaufte die Klägerin (Ehefrau des A) ihrem Ehemann das Grundstück ab - vermutlich "im Rahmen von" Scheidungsvereinbarungen o.ä. Umsatzsteuer wurde für den Verkauf nicht in Rechnung gestellt. Die Besitzübergabe erfolgte zum 30.12.1997. Das Grundstück sollte frei von Miet- und Pachtverhältnissen übergeben werden, dementsprechend war der bestehende Mietvertrag zum 31.12.1997 wirksam gekündigt worden. Ebenfalls zum 31.12.1997 verkaufte die durch die Klägerin vertretene Y-GmbH ihren Geschäftsbetrieb mit allen Aktiva und Passiva an den Ehemann der Klägerin. Dieser sollte das Unternehmen fortführen. Im Unternehmenskaufvertrag war erklärt, dass der Ehemann in den zwischen ihm (als seitherigen Vermieter) und der Y-GmbH (als seitherige Mieterin) bestehenden Mietvertrag nicht eintrete. Es sei jedoch beabsichtigt - und so wurde es auch umgesetzt - nach der Übertragung des Eigentums am Grundstück zwischen dem Unternehmenskäufer A und dem neuen Vermieter (seiner Ehefrau) einen neuen Mietvertrag abzuschließen.
Mit Schreiben vom 27.3.2001 teilte die Klägerin dem Finanzamt mit, dass der Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG für die Vermietungsumsätze ab dem 1.1.2001 nicht mehr in Anspruch genommen werde. Weil das Finanzamt die Grundstücksübertragung als Geschäftsveräußerung im Ganzen einstufte, forderte es von der Klägerin eine Vorsteuerkorrektur gem. § 15a UStG wegen Änderung der Verhältnisse und Übergang des Berichtigungszeitraums auf die Klägerin.
Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Auch das Finanzgericht sah in der Übertragung des Grundstücks eine Geschäftsveräußerung im Ganzen, obwohl das Objekt zum Zeitpunkt der Übertragung unvermietet war bzw. der bestehende Mietvertrag nicht fortgeführt wurde. Nach der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung sei für die Annahme einer Geschäftsveräußerung erforderlich, dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeitermöglicht. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung die Art des übertragenen Vermögens/Teilvermögens und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen. Zwar habe der BFH in seinem Beschluss v. 11.10.2007 (V R 57/06) entschieden, dass die Veräußerung eines Gebäudes ohne Übergang eines Mietertrags grundsätzlich keine Geschäftsveräußerung sei. Im vorliegenden Streitfall seien jedoch die besonderen Umstände des Falls zu beachten und die abgeschlossenen Verträge (Grundstückskaufvertrag, Unternehmenskaufvertrag und neu abgeschlossener Mietvertrag) als Regelungseinheit zu betrachten und damit in einer Gesamtschau zu beurteilen. Aufgrund der insgesamt getroffenen Vereinbarungen war gewährleistet, dass das übertragene Vermögen die Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit ermöglicht. Damit stimme die in Form der Vermietung erfolgte Nutzung vor der Veräußerung des Grundstücks und die danach erfolgende Nutzung als Vermietungsunternehmen überein.
Hinweis
In Literatur und Praxis wird insbesondere aufgrund des BFH-Beschlusses v. 11.10.07 (V R 57/06) überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Veräußerung eines unvermieteten Grundstücks (stets) nicht als Geschäftsveräußerung beurteilt werden kann. Das Finanzgericht ist mit der hier besprochenen Entscheidung dieser allgemeinen Aussage m. E. zu Recht entgegen getreten. So betont der BFH selbst, dass eine Geschäftsveräußerung auch dann angenommen werden kann, wenn der Erwerber das Unternehmen nicht unverändert fortführt, sondern den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb aus z.B. betriebswirtschaftlichen oder kaufmännischen Gründen in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert . Vor diesem Hintergrund muss m. E. eine Geschäftsveräußerung auch dann angenommen werden können, wenn das Objekt zwar ohne laufenden Mietvertrag übergeht (z. B. weil dieser zum Veräußerungszeitpunkt gekündigt wurde), es anschließend aber unverzüglich wieder an den früheren Mieter überlassen und das Objekt quasi weiterhin unverändert genutzt wird. Im gewerblichen Bereich sind solche Fallgestaltungen des Öfteren anzutreffen (z.B. nach Beendigung eines langfristigen Miet-/Leasingverhältnisses über Verbrauchermärkte oder ähnliches). Davon abzugrenzen sind natürlich diejenigen Fälle, in denen der Vermieter ein gewerbliches Objekt an den bisherigen Mieter veräußert und das Objekt vom bisherigen Mieter weiterhin für eigengewerbliche Zwecke genutzt wird. Die Annahme einer Geschäftsveräußerung scheitert...