Leitsatz
Die unentgeltliche Übertragung eines Bauunternehmens durch den Unternehmer an seinen Sohn kann auch dann als nicht steuerbare Teilgeschäftsveräußerung beurteilt werden, wenn dem Sohn das Betriebsgrundstück für zehn Jahre mit Verlängerungsoption zur Fortführung des Bauunternehmens vermietet wird.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a UStG , § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG , § 9 Abs. 1, 2 UStG , § 15a Abs. 1 UStG
Sachverhalt
Der Kläger war Bauunternehmer. Zum 1.1.1995 erklärte er die Betriebsaufgabe und übertrug seinem Sohn das Anlagevermögen seines Bauunternehmens unentgeltlich. Das Betriebsgrundstück mit einer Halle für Material und Maschinen behielt er zurück und vermietete es seinem Sohn, der das Bauunternehmen fortführte, ab 1.1.1995 für mindestens zehn Jahre zum Betrieb des Bauunternehmens. Einen Pkw und zwei Kopierer überführte er ins Privatvermögen.
Das FA war der Meinung, wegen der vorherigen Entnahme des Betriebsgrundstücks (wesentliche Betriebsgrundlage) sei keine Geschäftsveräußerung im Ganzen anzunehmen. Die Klage hatte keinen Erfolg, weil sich auch das FG an den ertragsteuerlichen Kriterien orientierte.
Entscheidung
Der BFH hielt die Voraussetzungen des § 1 Abs.1a UStG aufgrund der Vermietung (10 Jahre mit jährlicher Verlängerung) für erfüllt, weil keine Anhaltspunkte für eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses vorlagen.
Der BFH konnte jedoch nicht abschließend entscheiden, denn der Kläger hat sein Grundstück nicht aus seinem Unternehmen entnommen, sondern für seine nach der Geschäftsveräußerung begonnene Vermietertätigkeit verwendet. Zu prüfen war deshalb noch, ob er das Grundstück steuerfrei vermietet hatte und – ggf. – ob dann die Voraussetzungen für eine Vorsteuerkorrektur vorlagen oder ob eine steuerpflichtige Vermietung vorlag.
Auch musste noch die zutreffende Bemessungsgrundlage für die entnommenen Gegenstände (Pkw und Kopierer) ermittelt werden; denn das ist nicht der gemeine Wert (so das FA), sondern der Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum "Zeitpunkt des Umsatzes" nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG.
Hinweis
§ 1 Abs. 1a UStG setzt Art. 5 Abs. 8 der 6. RL um. Danach können die Mitgliedstaaten die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.
Mit der Umsetzung der Richtlinie ist es aber nicht getan. Die Mitgliedstaaten – und damit im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Finanzverwaltung und die Gerichte – müssen auch bei der Anwendung der umgesetzten Regelung sich an der Richtlinie orientieren. Die Frage, ob ein Unternehmen oder ein in der Gliederung gesondert geführter Betrieb "im Ganzen" übereignet wird, kann deshalb nicht nach nationalen ertragsteuerrechtlichen Kriterien, sondern nur unter Berücksichtigung der Regelung der Richtlinie entschieden werden.
Für die Übertragung eines Unternehmens oder eines in der Gliederung des Unternehmens gesonderten Teils "im Ganzen" bedeutet dies, dass
- eine organische Zusammenfassung von Sachen und Rechten übertragen wird,
- die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder des in der Gliederung des Unternehmens gesondert geführten Teils ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht.
Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1 a UStG liegt deshalb auch vor, wenn
- einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen nicht mitübereignet worden sind,
- sofern sie dem Übernehmer langfristig zur Nutzung überlassen werden und
- eine dauerhafte Fortführung des Unternehmens oder des gesondert geführten Betriebs durch den Übernehmer gewährleistet ist (bereits BFH, Urteil vom 4.7.2002, V R 10/01, BFH/PR 2003, 26).
Um zu ermitteln, ob dies der Fall ist, sind der Vorgang und seine Begleitumstände einer Gesamtbewertung zu unterziehen, bei der insbesondere die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind. Dies zu beurteilen ist Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten.
Unter Berücksichtigung des Ziels der umsatzsteuerrechtlichen Regelung, die Nichtsteuerbarkeit auf die Fälle zu begrenzen, in denen der Erwerber Unternehmer ist und das Unternehmen fortführt, um einen unversteuerten Letztverbrauch zu vermeiden und der Regelung in Art. 5 Abs. 8 der 6.RL ("Vermögen oder Teilvermögen") genügt es, wenn ein Betriebsgrundstück dem Erwerber durch ein langfristiges Nutzungsrecht überlassen wird, das die dauerhafte "Fortführung" des Unternehmens ermöglicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 28.11.2002, V R 3/01