Leitsatz
Während der Gültigkeitsdauer des § 6b Abs. 10 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 konnten die stillen Reserven, die infolge der Veräußerung eines zum Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters gehörenden Wirtschaftsguts aufgedeckt wurden, nicht auf Reinvestitionen im Gesamthandsvermögen einer Schwestergesellschaft übertragen werden. Das galt auch dann, wenn der veräußernde Gesellschafter als Einziger am Vermögen der Schwestergesellschaft beteiligt war.
Normenkette
§ 6b Abs. 10 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002, § 124 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Ein Kommanditist hatte der KG (A-KG) ein Grundstück vermietet. Nach dem Umzug der Gesellschaft in andere Geschäftsräume veräußerte der Kommanditist das Grundstück im Jahr 1999. Den nach Tilgung der Grundschulden verbleibenden Erlös verwendete der Kommanditist zur Einlage in eine andere KG (B-KG), deren einziger Kommanditist er war. Die B-KG errichtete mit dem Geld ein Betriebsgebäude.
Der Kommanditist beantragte, den Gewinn aus dem Grundstücksverkauf gem. § 6b EStG auf die anteiligen Herstellungskosten des Gebäudes der B-KG zu übertragen. Das FA lehnte die Übertragung nach § 6b EStG ab und erfasste den Gewinn als Sonderbilanzergebnis des Kommanditisten im Rahmen der Gewinnfeststellung 1999 für die A-KG. Klage und Revision hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH stützte seine Entscheidung auf § 6b Abs. 10 EStG 1999. Danach trete für die Übertragung nach § 6b Abs. 1 EStG die Personengesellschaft an die Stelle des Steuerpflichtigen, soweit ein Wirtschaftsgut zum Gesamthandsvermögen gehöre. Deshalb könne der Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks im Sonderbetriebsvermögen bei der A-KG nicht auf ein Wirtschaftsgut des Gesamthandsvermögens der B-KG übertragen werden. Dass der Gesellschafter allein am Vermögen der B-KG beteiligt gewesen sei, ändere nichts daran, dass Träger des Gesamthandsvermögens die KG sei.
Hinweis
1. Die Entscheidung betrifft ausschließlich die Rechtslage in den Jahren 1999 und 2000.
Für diese Jahre galt die durch das StEntlG 1999/2000/2002 geschaffene Fassung des EStG, wonach der frühere Mitunternehmererlass "abgeschafft" und die gesellschaftsbezogene Betrachtung für Vermögensübertragungen von Personengesellschaften eingeführt worden war. Zwischen Personengesellschaft und Gesellschafter konnten Wirtschaftsgüter nicht mehr zum Buchwert übertragen werden. Die betreffenden stillen Reserven sollten gehoben und besteuert werden.
Dies hätte leicht umgangen werden können, wenn man das Wirtschaftsgut wie zuvor hätte veräußern und den Gewinn nach § 6b EStG auf die Anschaffungskosten des Erwerbers übertragen können. Deshalb hatte der Gesetzgeber § 6b Abs. 10 EStG 1999 geschaffen, in dem ausdrücklich geregelt wurde, dass für Gesamthandsvermögen nicht der Transparenzgrundsatz gelte, sondern die Gesellschaft selbst als Steuerpflichtiger anzusehen sei. Damit war die Übertragung einer 6b-Rücklage zwischen Gesellschafter und Gesellschaft nicht mehr möglich.
2. Diese Rechtslage blieb nur für zwei Jahre unverändert bestehen. Ab 2001 kehrte der Gesetzgeber wieder zur gesellschafterbezogenen Betrachtung für Vermögensübertragungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zurück, indem § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG einen neuen, genau entgegengesetzten Inhalt erhielt (sog. Wiederherstellung des Mitunternehmererlasses). § 6b Abs. 10 EStG blieb allerdings im Jahr 2001 noch unverändert bei der gesellschaftsbezogenen Betrachtungsweise. Hier kehrte der Gesetzgeber erst ab 2002 zur gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise zurück.
3. Im Besprechungsurteil lässt der BFH keine Bedenken gegen den 1999 vollzogenen Systemwechsel bei § 6b EStG und die drei Jahre spätere Rückkehr zum alten System erkennen. Ausdrücklich offen bleibt aber die Frage, wie die Rechtslage im Jahr 2001 zu beurteilen ist, in dem § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG, aber auch § 16 Abs. 3 EStG bei der Realteilung bereits wieder der gesellschafterbezogenen Betrachtung folgten, während § 6b EStG noch auf der gesellschaftsbezogenen Betrachtung beruhte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.2.2006, IV R 23/04