Dipl.-Betriebsw. Wilfried Wurms
Dieser Artikel gibt Praktikern aus dem Gewährleistungs- und Controllingbereich Anregungen zur Steuerung und Kalkulation der Gewährleistungskosten.
Verpflichtungen zur Gewährleistung (GWL) entstehen beim Verkauf bzw. bei der Übergabe des Produkts an den Kunden. Ebenso entstehen Gewährleistungsverpflichtungen aus Reparaturen mit unterschiedlichen Fristen. Anders als bei der Produktion, bei der die Kosten zum Zeitpunkt der Erstellung entstehen, fallen die Gewährleistungskosten nach der Auslieferung bzw. der Übergabe der Ware an den Endkunden an. Sie zeigen einen Kostenverlauf, der sich auf Basis der mehrjährigen Leistungsverpflichtung, auf mehrere Buchungsjahre verteilt.
Die Gewährleistungspflicht gegenüber dem Privatkunden liegt in Deutschland bei 2 Jahren, bei B2B-Geschäften bei einem Jahr. Zusätzlich kann sich dieser Zeitraum aufgrund von freiwilligen Garantiezusagen verlängern. Diese können kostenlos oder gegen Rechnung (Kaufgarantie) vom Hersteller oder Händler gewährt werden. Inklusive einer bezahlten Garantieverlängerung von 2 Jahren liegt die Gewährleistungsdauer dann bei 4 – 5 Jahren, über die sich der Aufwand im Ergebnis verteilen würde.
Gerade in Zeiten harten Wettbewerbs, in denen man um Marktanteile ringt und hier u. a. über freiwillige Garantiezusagen versucht, den Kunden zu gewinnen, kann dies das Unternehmen in den darauf folgenden Absatzjahren unerwartet treffen, wenn nicht vorher das Risiko durch eine valide Gewährleistungskostenkalkulation bewertet und eine GWL-Rückstellung gebildet wurde. Nicht zuletzt hilft das geordnete Managen/Steuern der GWL-Kosten mit bei der Krisenprävention.
Fokus auf Industriegüter
Im Rahmen dieses Artikels liegt der Fokus auf der Regelung für industriell hergestellte Artikel, nicht Gebäude etc. Ebenso wird die Regelung der Arglist in diesem Artikel nicht betrachtet.
1.1 Rechtliche Hintergründe zur Gewährleistung
Der Begriff Gewährleistung gilt in diesem Artikel als Oberbegriff für die in § 434 BGB ff. geregelte Sachmängelhaftung, die freiwilligen Garantiezusagen und die auf freiwilligen Zahlungen basierenden Kulanzzusagen.
Nacherfüllung
Bei der Nacherfüllung hat der Hersteller die erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen. Für das Controlling interessant ist der zu ersetzende Wertumfang aus der erforderlichen Reparatur. Letztendlich heißt das, dass der Arbeitslohn, die Materialkosten inkl. Transport und die mit der Reparatur anfallenden Nebenkosten zu tragen sind.
Verjährungsfristen
Die Verjährung ist in § 438 BGB geregelt. Die reguläre Verjährungsfrist liegt bei Geschäften mit Kaufleuten bzw. Unternehmen (B2B) bei einem Jahr. Darüber hinausreichende Garantiezusagen (freiwillig) können natürlich vereinbart werden. Bei Geschäften mit Verbrauchern (B2C) liegt die Verjährung bei 2 Jahren. Von Interesse ist auch noch der Startzeitpunkt; der kann bei Übergabe der Ware (Rechnung, Lieferschein, Übergabeprotokoll) geregelt sein. Im Bereich der Pkw-Industrie gilt in Deutschland i. d. R. der Zeitpunkt der Erstzulassung bzw. das Datum der Übergabe an den Kunden.
Gewährleistung (GWL): |
Sammelbegriff für Sachmängelhaftung, Garantie, Kulanz in diesem Artikel |
Sachmängelhaftung (SMH): |
Gesetzliche Haftung des Verkäufers |
Garantie: |
Vertragliche Leistung des Herstellers nach Ablauf der Sachmängelhaftung. Dies kann eine Kaufgarantie auf Basis einer Standardpreisliste sein oder eine Sondergarantie, die auf den jeweiligen Kundenwunsch zugeschnitten ist. |
Kulanz: |
Freiwillige Leistung des Herstellers/des Händlers. Bei Kulanz kann es je nach Firma und Branche Varianten der Kulanz geben. Speziell in großen Firmen können Kulanzen gegenüber dem Kunden noch untergliedert werden in Kulanzen, die das Produktionswerk gewährt, und solche, die der Vertrieb zu zahlen hat. In aller Regel werden hierfür auch Budgets in den Bereichen vorgegeben. Für die Kulanzgewährung im Vertrieb können komplexe Abrechnungsregelwerke bis hin zur BSC aufgestellt werden. In diesem Artikel wird hierauf nicht näher eingegangen. |
Rückrufe: |
Rückrufe und Vorbeugemaßnahmen sind typisch für Fahrzeug- oder PC-Hersteller (z. B. Akku). Auf Rückrufe und Vorbeugungen wird in diesem Artikel nicht näher eingegangen. Sie bilden ein Problem, dessen Ursachen technisch bedingt sind. Diese Schäden, die u. a. sicherheitsrelevant sein können, unterliegen nicht der Standardfrist für Sachmängelhaftung von 2 Jahren, sondern können auch nach Ablauf der Gewährleistungsfristen Thema für das Unternehmen werden (vgl. Produzentenhaftung). |
Tab. 1: Arten der Gewährleistung
1.2 Zeitlicher Verlauf der Gewährleistungskosten
Entstehungszeiten Produktion und GWL
Gewährleistungskosten fallen im Gegensatz zu den Herstellkosten nicht in der Periode der Prod...