Dipl.-Betriebsw. Wilfried Wurms
Entstehungszeiten Produktion und GWL
Gewährleistungskosten fallen im Gegensatz zu den Herstellkosten nicht in der Periode der Produktion, sondern zeitversetzt nach Produktion und Absatz an. Sie beziehen sich aber ursächlich auf die Erstellungsperiode. Die Kostenhöhe ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Die Kosten verlaufen im Anschluss an die Lieferung über mehrere Reparaturjahre (Buchungsjahre). Der Kostenverlauf ist abhängig vom zu betrachtenden Produkt (Fernseher, Motorrad, Pkw etc.). Sie unterliegen Gesetzmäßigkeiten, die z. B. qualitäts-, klima- und nutzungsbedingt und dabei regional unterschiedlich sein können. Weitere Einflussfaktoren auf die zukünftige Entwicklung der Gewährleistungskosten können sein:
- die Lernrate in der Produktion,
- die Auswahl der Lieferanten und deren Know-how oder
- die Produktreife von Neuentwicklungen.
Die Schäden können laufzeitbedingt (Betriebsstunden, km-Leistung bei Fahrzeugen) oder zeitabhängig sein. Entsprechend findet man in der Praxis auch eine Kombination zwischen Zeit und Leistung bei der Gewährung von Garantien.
Gewährleistung eines Motorrades
|
t0 |
t1 |
t2 |
t3 |
t4 |
Sachmängelhaftung |
(200) |
–10 |
–200 |
|
|
Kaufgarantie |
100 |
0 |
0 |
–120 |
|
Kulanz |
0 |
|
|
|
–60 |
t0 = Zeitpunkt der Lieferung, t1 bis t4 Zeitpunkt der Nutzung und Buchung des Schadens
Zeitlicher Verlauf SMH, KG und Kulanz
Bei diesem theoretischen Beispiel beträgt die Sachmängelhaftung gegenüber einem Privatkunden für das Motorrad Skeirider 1000 der Firma MOBEIKER KG 2 Jahre. Hierfür wurde vom Controlling eine Kostenrate i. H. v. 200 EUR für die gesamte Laufzeit der Sachmängelhaftung in den DB einkalkuliert. Für eine vom Kunden gewünschte Garantieverlängerung wurde zudem eine Kaufgarantie i. H. v. 100 EUR mitverkauft. Diese bezieht sich auf das 3. Betriebsjahr und ist begrenzt auf 150.000 km Laufleistung.
Kaufgarantien als Produkt anbieten
Bei der Kaufgarantie erzielt die Firma MOBEIKER KG einen zusätzlichen Erlös, der mit Kauf des Motorrads über einen gesonderten Garantieverlängerungsvertrag bezahlt wurde. Der Vertrag basiert auf einer an die Kunden kommunizierten Preisliste. Diese basiert auf einer Kalkulation über die Gesamtpopulation für das Motorrad Skeirider 1000. Im 4. Nutzungsjahr (t4)wird außerdem aufgrund eines Serienschadens eine Kulanz von 60 EUR nach Ablauf der Kaufgarantie vom Hersteller übernommen.
In Summe liegen die Kosten der Sachmängelhaftung im Fallbeispiel um 10 EUR über der kalkulierten Rate (200 EUR) des Produkts. Die zusätzlich gekaufte Kaufgarantie rechnet mit 20 EUR über der kalkulierten Kaufgarantierate lt. Standardpreisliste ab und die Kulanzen wirken mit 60 EUR als Ergebnisbelastung. Dies ist allerdings nur ein Einzelfall. Um richtig zu kalkulieren, hilft nur eine Summenbetrachtung. Hierzu ist das Volumen an Sachmängelhaftung (gesamter Absatz) wie auch das Volumen an verkauften Garantien gesondert zu betrachten.
Im zeitlichen Verlauf folgen die Kaufgarantien der Sachmängelhaftung und die Kulanz der Kaufgarantie. Kaufgarantien werden i. d. R. bei Bedarf verkauft. Denkbar ist allerdings auch, dass Garantieverlängerungen standardmäßig über mehrere Jahre zusätzlich einkalkuliert und somit dem Kunden kostenlos angeboten werden. Kostenlose Garantiezusagen beinhalten nicht unerhebliche Risiken für das Unternehmen, die präzise zu kalkulieren sind. Einmal getroffene Zusagen lassen sich nur schwer wieder vom Markt nehmen.
Bei der Vergabe von Kulanzen handelt es sich um Einzelfallentscheidungen des Unternehmens. Die Kulanzzahlungen folgen im Normalfall zeitlich der Sachmängelhaftung und den Garantiezusagen. Soweit die Garantiezusagen der Kaufgarantie oder Sondergarantie Schäden nicht abdecken, sind zusätzliche Kulanzzusagen zur Garantie im zugesagten Garantiezeitraum denkbar. Auch Kulanzen sollten gesteuert werden. D. h., es sollten Bewilligungslogiken (Einheitlichkeit) aufgebaut werden. Monitoring und Controlling der Kulanzzusagen sind wichtig.