OFD Frankfurt, Verfügung v. 9.4.1999, S 0130 A - 19 - St II 42
Zur Auskunftserteilung an Gewerbebehörden in gewerberechtlichen Verfahren gilt folgendes:
1. Allgemeines
Das Gewerberecht sieht die Versagung, Rücknahme oder den Widerruf einer gewerberechtlichen Erlaubnis sowie die Untersagung eines Gewerbes bei gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit vor. Die gewerbesachliche Unzuverlässigkeit kann auch aus steuerrechtlichen Sachverhalten hergeleitet werden. Ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung von steuerlichen Verhältnissen gegenüber den Gewerbebehörden kann nur anerkannt werden, soweit es sich um Steuern handelt, die mit der Ausübung eines Gewerbes im Zusammenhang stehen, insbesondere Lohnsteuer, Umsatzsteuer – vgl. BFH-Urteil vom 10.2.1987, VII R 77/84, BStBl 1987 II S. 545. Bei Personensteuern (Einkommensteuer, Kirchensteuer, Vermögensteuer) besteht ein solcher Zusammenhang, wenn die Steuerpflicht im wesentlichen auf dem Gewerbebetrieb beruht. Unabhängig davon ist ein zwingendes öffentliches Interesse an der Mitteilung hinsichtlich der Personensteuern auch dann zu bejahen, wenn Unzuverlässigkeit infolge wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit im Raume steht (z.B. hohe Schuldenlast, kein Sanierungskonzept – vgl. OVG Münster, Urteil vom 2.9.1987, Gewerbearchiv 1988 S. 87).
2. Voraussetzungen der Unzuverlässigkeit
Die Verletzung steuerrechtlicher Pflichten, die mit der Ausübung des Gewerbes im Zusammenhang stehen, begründet die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht in jedem Fall, wohl aber dann, wenn das Verhalten des Steuerpflichtigen darauf schließen läßt, daß er nicht willens oder in der Lage ist, seine öffentlichen Berufspflichten zu erfüllen. Wegen der weittragenden Bedeutung, die die Versagung einer Erlaubnis oder die Unterbindung der gewerblichen Tätigkeit für den Betroffenen hat, muß es sich um erhebliche Verstöße handeln. Wann jeweils Unzuverlässigkeit vorliegt, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Anhaltspunkte für die Entscheidung bieten folgende Kriterien:
2.1 Nichtabgabe von Steuererklärungen
Die Nichtabgabe von Steuererklärungen begründet für sich allein eine steuerliche Unzuverlässigkeit nur dann, wenn die Erklärungen trotz Erinnerung hartnäckig über längere Zeit nicht abgegeben werden. Die Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen oder von Umsatzsteuervoranmeldungen hat in der Regel besonderes Gewicht. Die Nichtabgabe von Steuererklärungen in den übrigen Fällen wird regelmäßig nur in Verbindung mit der Nichtentrichtung von Steuern nach Tz. 2.2 von Belang sein.
2.2 Nichtentrichtung von Steuern
Die Nichtentrichtung von Steuern, insbesondere ein erheblicher Steuerrückstand, wird vielfach die Unzuverlässigkeit begründen. In diesem Zusammenhang sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
2.2.1 Umfang und Art der Steuerrückstände
Erforderlich ist in jedem Fall ein für die Verhältnisse des Betriebes erheblicher Steuerrückstand. Beträge unter 5.000 DM reichen in aller Regel nicht aus.
Von Bedeutung ist ferner die Entwicklung der Steuerrückstände – getrennt nach Steuerarten – über längere Zeit. Ständig schleppender Zahlungseingang kann auch bei verhältnismäßig geringen Steuerrückständen die Unzuverlässigkeit begründen, während etwa eine hohe Steuerschuld im Anschluß an eine Außenprüfung nicht ohne weiteres auf steuerliche Unzuverlässigkeit schließen läßt.
Beruhen die Steuerrückstände ganz oder teilweise darauf, daß einbehaltene Steuerabzugsbeträge (insbesondere Lohnsteuerbeträge) mehrfach nicht abgeführt worden sind, so begründet dies in der Regel Unzuverlässigkeit.
Zusatz der Oberfinanzdirektionen zu Tz. 2.2.1
In Absprache mit den Gewerbebehörden soll im Regelfall von der Anregung eines gewerberechtlichen Untersagungsverfahrens abgesehen werden, wenn die Steuerrückstände nicht mehr als 10.000 DM betragen.
2.2.2 Vollstreckungsversuch
Ein Vollstreckungsversuch des Finanzamts ist in aller Regel unabdingbare Voraussetzung für die Einleitung eines gewerberechtlichen Untersagungsverfahrens wegen Steuerrückständen.
2.3 Subjektive und objektive Seite der Verstöße
Unzuverlässigkeit ist u.a. anzunehmen, wenn der Gewerbetreibende nicht willens ist, seine steuerrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Hierauf läßt eine ständige Mißachtung der ihm obliegenden Verpflichtungen schließen, z.B. die Weigerung, Steuererklärungen abzugeben, Steuerrückstände zu begleichen, einen Abzahlungsplan zu vereinbaren oder einzuhalten sowie der Versuch, Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts zu vereiteln.
Aber auch eine unverschuldet eingetretene Notlage, die z.B. auf allgemeine oder strukturelle wirtschaftliche Schwierigkeiten zurückzuführen ist, kann die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigen. Unzuverlässigkeit setzt weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs noch einen Charaktermangel voraus. Die gewerberechtlichen Bestimmungen über die Versagung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Erlaubnis sowie über die Untersagung eines Gewerbes sind wertneutr...