Leitsatz
1. Eine gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mieten für Mehrwegbehältnisse scheidet aus, wenn das Vertragsverhältnis neben der Gebrauchsüberlassung auch umfangreiche Werk-, Dienstleistungs- und Transportvertragselemente enthält und das Mietvertragselement dem gesamtvertraglichen Leistungsbündel nicht das Gepräge gibt.
2. Gibt ein Handelsunternehmen seinem mit ihm in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung stehenden Lieferanten vor, dass dieser die Ware in einem bestimmten Steigentyp zu liefern hat, führt eine wiederholte Anmietung dieses Steigentyps bei unterstelltem Eigentum zur Annahme von Anlagevermögen.
Normenkette
§ 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG, § 247 Abs. 2 HGB
Sachverhalt
Die klagende GmbH vermarktet Obst und Gemüse einer landwirtschaftlichen Erzeugerorganisation. Dafür nutzte sie 2011 Obst- und Gemüsekisten (sog. Mehrwegsteigen), die von den Firmen H und L zur Verfügung gestellt wurden. Die unterschiedliche Ausgestaltung führte zu unterschiedlichen Rechtsfolgen:
Zwischen der Klägerin und der Firma H bestand ein 2005 geschlossener Mietvertrag. H bewirtschaftet einen Pool von Klappsteigen, starren Steigen, Bigboxen und Poolpaletten für den mehrmaligen Gebrauch. Die Menge der von der Klägerin jeweils bestellten Mehrwegsteigen orientierte sich an dem jeweiligen Bedarf der Kunden, die Art der jeweils zu nutzenden Mehrwegsteigen gab der Einzelhandel vor. Die Mehrwegsteigen wurden im Rahmen der "Bewegungsvermietung" nach einer "Preisliste Voll-Logistik-Konzept" jeweils für einen Zyklus von H an Landwirte "frei Haus" geliefert, von diesen befüllt und dann von der Klägerin an den Kunden geliefert. Dort wurden sie ("Rücklogistik") von H abgeholt, die sie in ihr Depot verbrachte und die Müllentsorgung, Sortierung, Reparatur und Wäsche vornahm. Wenn die Klägerin die Mehrwegsteigen nicht spätestens vier Wochen nach Erhalt benutzte oder zurücksandte, war eine zusätzliche Nutzungsgebühr geschuldet.
Darüber hinaus nutzte die Klägerin Mehrwegsteigen der Firma L. Ein schriftlicher Vertrag hierüber existierte nicht. L stellte die Kisten ab ihren Warenlagern in befüllfähigem Zustand zur Verfügung und berechnete eine "Nutzungsgebühr" pro Mehrwegsteige. Die Klägerin holte sie dort ab, befüllte sie mit Ware und lieferte sie zurück an die Lager der L.
Nach einer Außenprüfung rechnete das FA die Aufwendungen für die Mehrwegsteigen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG hinzu. Der GewSt-Messbetrag belief sich danach auf 0 EUR und der Verlust aus Gewerbebetrieb auf … EUR. Den Einspruch der Klägerin verwarf das FA als unzulässig, weil bei einer Null-Festsetzung keine Beschwer bestehe.
Die Klage hatte Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 30.6.2020, 1 K 55/16, Haufe-Index 14264339). Das FG entschied, die Klage sei zulässig und auch begründet, denn die jeweils nur kurzfristig im Umlauf verwendeten Mehrwegsteigen wären im Falle fiktiven Eigentums der Klägerin kein Anlage‐, sondern Umlaufvermögen. Soweit H nicht nur die Mehrwegsteigen zur Verfügung stelle, sondern im Rahmen eines umfassenden Mehrweglogistiksystems weitere sog. Systemleistungen erbringe, liege ein Vertrag eigener Art vor, der nicht durch das Mietvertragselement geprägt werde. Bei den von der Klägerin an H gezahlten Entgelten handele es sich mithin nicht um Miet‐ oder Pachtzinsen i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG; mit der L seien dagegen Mietverträge geschlossen worden.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte hinsichtlich der an L gezahlten Entgelte für die Überlassung ihrer Mehrwegsteigen Erfolg, hinsichtlich der an H gezahlten Entgelte war sie unbegründet.
Hinweis
1. Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, dass die Klage gegen einen Null-Messbetrag zulässig ist, da auch ein sog. Nullbescheid aufgrund der Bindungswirkung für den Verlustfeststellungsbescheid (§ 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG) eine Beschwer i.S.v. § 40 Abs. 2 FGO auslöst.
2. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG werden bei der Gewinnermittlung abgesetzte Miet‐ und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, wieder hinzugerechnet.
3. Miet- oder Pachtvertrag? Der Nutzungsvertrag muss seinem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach ein Miet‐ oder Pachtverhältnis i.S.d. bürgerlichen Rechts sein. Enthält die Vereinbarung wesentliche miet‐ oder pachtfremde Elemente, so kommt es darauf an, ob
- mehrere trennbare Hauptpflichten vorliegen – dann Hinzurechnung der anteiligen Miet- oder Pachtzinsen, oder
- die Hauptpflichten miteinander verschmelzen und damit ein Vertrag eigener Art gegeben ist – dann keine Hinzurechnung.
4. Vermieter sind zur Gebrauchsüberlassung und Erhaltung der Mietsache verpflichtet (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), Verpächter zur Gebrauchsüberlassung und Gewährung der ordnungsgemäß zu ziehenden Früchte (§ 581 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Die Klägerin hatte von H Mehrwegbehältnisse im Rahmen eines "Voll-Logistik-Konzepts" mit umfangreichen Werk-, Dienstleistungs- und Transportvertragselementen erhalten. Da dessen Leistun...