Leitsatz
Ein Insolvenzverwalter kann auch dann gewerbliche Einkünfte erzielen, wenn er Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwalt ist.
Sachverhalt
Der Kläger war als Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer zugelassen. In den Streitjahren erzielte er in einem erheblichen Umfang Betriebseinnahmen aus Insolvenzverwaltertätigkeit, die als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit erklärt wurden. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurden die Einkünfte aus der Tätigkeit als Insolvenzverwalter als gewerbliche Einkünfte eingestuft. Aufgrund der Personalstruktur und des Umfangs der Einkünfte könne - so der Prüfer - nicht mehr von einer freiberuflichen Tätigkeit ausgegangen werden. Bei der Insolvenzverwaltung handele es sich um eine Tätigkeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, bei der die Vervielfältigungstheorie zur Anwendung komme. Der gegen die auf der Grundlage des Betriebsprüfungsberichts ergangenen Steuerbescheide eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Der Steuerpflichtige führte im Einspruchsverfahren an, die von ihm als Insolvenzverwalter erbrachten Leistungen beruhten auf seiner eigenen persönlichen Arbeitsleistung. Die Vervielfältigungstheorie könne hier keine Anwendung finden, da die Mitarbeiter nicht nur für die Bearbeitung der Insolvenzverfahren tätig gewesen seien. In seiner Klage führte der Kläger sodann auch noch aus, dass das maßgebliche Urteil des BFH (Urteil vom 12.12.2001, XI R 56/00, BStBl 2002 II S. 202) nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, da dies eine unzutreffende Vorstellung von der Tätigkeit des Insolvenzverwalters vermittele. Dieser sei eben kein reiner Verwalter von Vermögen, sondern müsse schwierige rechtliche, steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Fragen klären. Dies alles seien typische Aspekte einer anwaltlichen und mithin freiberuflichen Tätigkeit i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Schließlich bestritt der Kläger die richtige Aufteilung seiner Tätigkeit zwischen der als Rechtsanwalt und der als Insolvenzverwalter.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die zulässige Klage als unbegründet ab. Das Finanzamt habe zu Recht die Einkünfte des Klägers als Einkünfte aus Gewerbebetrieb eingestuft. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, dass ein Insolvenzverwalter keine freiberuflichen Einkünfte nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat, da er keinen Katalogberuf oder einen ähnlichen Beruf ausübt. Vielmehr handelt es sich bei dem Berufsbild des Insolvenzverwalters um ein eigenständiges Berufsbild. Somit kommt zwar eine Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Betracht, doch gehört der Insolvenzverwalter auch nicht den sonstigen selbständigen Tätigkeiten. Nach der Rechtsprechung des BFH seien dies nämlich in der Regel nur gelegentliche Tätigkeiten und nur ausnahmsweise nachhaltige ausgeübte Betätigungen. Zudem beruhten die Einkünfte im Streitfall nicht primär auf der persönlichen Arbeit des Klägers. Unter Anwendung der Vervielfältungstheorie der Rechtsprechung ist der Einsatz von Mitarbeitern hier in jedem Fall schädlich, da die einschränkende Anforderung, dass der Berufsträger leitend und eigenverantwortlich tätig sein muss, für den § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht gilt. Im Übrigen ist es aufgrund des Umfangs der Tätigkeiten im Bereich der Insolvenzverwaltung für den Kläger gar nicht mehr möglich gewesen, seine Mitarbeiter in einer Weise zu leiten, dass eine Eigenverantwortlichkeit des Insolvenzverwalters gewährleistet gewesen ist.
Hinweis
Neben grundsätzlichen Darstellungen zur Entwicklung und Ausgestaltung des Berufsbildes des Insolvenzverwalters ist das Urteil für den Bereich des Steuerrechts vor allem deshalb interessant, weil es deutlich die unterschiedliche Behandlung der Berufe nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Katalogberufe und ähnliche Berufe) sowie § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (sonstige selbständige Tätigkeiten, z.B. Testamentsvollstrecker, Vermögensverwalter und Aufsichtsrat) darstellt. Letztere sind anhand der Vervielfältigungstheorie vom Gewerbebetrieb anzugrenzen. Hierbei ist zu prüfen, ob die erfasste Tätigkeit primär durch die persönliche Arbeitsleistung des Steuerpflichtigen bestimmt wird. Dies wurde hier verneint, da der Kläger in einem erheblichen Umfang qualifizierte Personen zur Erfüllung der vielfältigen Tätigkeiten des Insolvenzverwalters einsetzte. Interessant ist zudem, dass es hier unerheblich war, dass der Kläger auch Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer war, als auch Katalogberufe im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausübte. Hierbei kommt zum tragen, dass es sich bei der Tätigkeit des Insolvenzverwalters nicht um eine klassische Tätigkeit aus diesen beiden Berufen handelt, sondern um eine eigenständige Tätigkeit. Vor allem der große Mitarbeiterstab von Insolvenzverwalters ist oftmals kritisch im Sinne der Theorie (Kling, DStR 1998 S. 1813). Das maßgebliche Urteil des BFH zu dieser Frage wurde somit vom FG Köln bestätigt (BFH, Urteil v. 12.12.2001, XI R 66/00, BStBl 2002 II S. 202; Siewert, in: Frotscher, EStG, § 18 EStG Tz. 98). Anders dürfte der Fall zu entscheiden sein, dass ein Rechtsanwalt oder Wir...