Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ein unbebautes Grundstück erwirbt und anschließend drei von insgesamt vier Eigentumswohnungen, die von ihr auf dem Grundstück errichtet werden sollen, mit Gewinnerzielungsabsicht verkauft, betreibt einen gewerblichen Grundstückshandel und keine private Vermögensverwaltung. Dies gilt unabhängig davon, ob ihre Gesellschafter einen der Baubranche zuzurechnenden Beruf ausüben.
Normenkette
§ 15 Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Die Kläger – Ehegatten – kauften 1991 ein unbebautes Grundstück mit der Absicht, auf diesem ein Mehrfamilienhaus mit vier Eigentumswohnungen zu errichten. Mit Ausnahme einer Wohnung sollten die Wohnungen durch den Kläger – einen Maurer – erstellt werden. Teils vor, teils nach Baubeginn veräußerten die Kläger die drei Wohnungen an ihre Söhne und einen Freund der Familie und verpflichteten sich, das Gebäude innerhalb einer bestimmten Frist zu errichten.
Die Wohnungen wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den Jahren 1992 und 1993 fertig gestellt. Das FA sah die Ehegatten als Mitunternehmer (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels an und stellte die durch die Veräußerung der Wohnungen erziehen Gewinne für 1992 und 1993 einheitlich und gesondert fest. Das FG gab der Klage statt und hob die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide auf (EFG 1999, 429).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts habe die Merkmale des § 15 Abs. 2 EStG und auch die von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen für einen gewerblichen Grundstückshandel erfüllt.
Dem stehe nicht entgegen, dass hier die Drei-Objekt-Grenze nicht überschritten sei. Denn diese Grenze sei nicht maßgebend, wenn das Grundstück bereits vor seiner Bebauung verkauft worden sei. Der Große Senat des BFH habe diesen Fall in seinem Beschluss vom 10.12.2001, GrS 1/89 ausdrücklich als einen der Ausnahmefälle bezeichnet, bei denen auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden könne.
Hinweis
Das vorliegende Urteil des VIII. Senats des BFH betrifft einen der vom Großen Senat in seinem Beschluss vom 10.12.2001, GrS 1/98 (BFH-PR 2002, 171) erwähnten Ausnahmefälle. Der Große Senat hatte in diesem Beschluss zwar einerseits ausgeführt, dass die Errichtung von Wohnobjekten auf dem eigenen Grundstück und deren Veräußerung nicht unabhängig von der als Indiz wirkenden sog. Drei-Objekt-Grenze bereits wegen der Ähnlichkeit mit dem "Bild des produzierenden Bauunternehmers / Bauträgers" eine gewerbliche Tätigkeit darstelle; vielmehr sei auch hier grundsätzlich von der Drei-Objekt-Grenze auszugehen. Er hielt aber Ausnahmen von diesem Grundsatz für erforderlich und den Schluss auf eine gewerbliche Tätigkeit auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten dann für geboten, wenn das Grundstück bereits vor seiner Bebauung verkauft worden sei oder wenn es von vornherein auf Rechnung oder nach den Wünschen des Erwerbers bebaut werden solI.
Es war zunächst nicht ohne weiteres erkennbar, weshalb diese Sachverhaltsgestaltungen Ausnahmefälle sein sollten; denn es konnte nach der bisherigen Rechtsprechung noch angenommen werden, dass die Drei-Objekt-Grenze auch dann gilt, wenn jemand Grundstücke ankauft und weiterveräußert, obwohl er bereits beim Ankauf den Erwerber und seine Interessenlage kennt oder den Ankauf auf dessen Wunsch vornimmt. Wenn die "Bebauungsfälle" hinsichtlich der Drei-Objekt-Grenze grundsätzlich wie diese "Durchhandelsfälle" behandelt werden sollen, weshalb soll das dann nicht auch bei einem Verkauf des Grundstücks vor seiner Bebauung oder bei einer Bebauung nach den Wünschen des Erwerbers gelten? Oder ist für beide Fallgruppen erforderlich, dass im Zeitpunkt des Erwerbs durch den späteren Verkäufer noch die Möglichkeit bestehen muss, dass dieser das Grundstück (mit Gebäude) für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung einsetzt? Die Entscheidung des Großen Senats lässt hier mehrere Deutungen zu.
Für den hier vorliegenden Fall der Veräußerung des Grundstücks vor seiner Bebauung leitet der BFH die Gewerblichkeit daraus ab, dass die Veräußerung eines Grundstücks mit der Verpflichtung, auf diesem ein Grundstück zu errichten, nicht anders behandelt werden könne als die Bebauung eines fremden Grundstücks; beides indiziere die Gewerblichkeit. Es ist also letztlich doch die Bebauungstätigkeit, die dem Ankauf und der Veräußerung des Grundstücks die entscheidende gewerbliche Qualifikation gibt. Der vom Großen Senat des BFH aufgestellte Grundsatz der Gleichstellung der "Bebauungsfälle" mit den "DurchhandelsfäIIen" dürfte damit in der Praxis erheblichen Einschränkungen unterliegen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.8.2002, VIII R 14/99