BMF, Schreiben v. 16.12.1998, IV C 2 - S 2240 - 11/98
Nach Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der Länder wird wie folgt Stellung genommen:
Mit Beschluß vom 29.10.1997, X R 183/96 (BStBl 1998 II S. 332) hat der X. Senat des BFH dem Großen Senat die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Errichtung von Wohnobjekten (im Streitfall Eigentumswohnungen) in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht und die hiermit in sachlichem sowie zeitlichem Zusammenhang stehende Veräußerung dieser Objekte unabhängig von ihrer Zahl eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, weil diese „dem Bild eines Bauunternehmers/Bauträgers entspricht”. Es geht in dem Vorlagebeschluß also um die Frage, ob die „Drei-Objekt-Grenze” in ihrem klassischen Anwendungsbereich, nämlich der Veräußerung von Eigentumswohnungen oder Einfamilienhäusern, in den sog. „Errichtungsfällen” generell aufgegeben werden soll.
Dieser Frage hat der X. Senat des BFH mit seinen Rechtsausführungen in dem Urteil vom 14.1.1998, X R 1/96 (BStBl 1998 II S. 346) schon deshalb nicht vorgegriffen, weil der diesem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt gerade nicht den klassischen Fall der Anwendung der „Drei-Objekt-Grenze” betrifft, sondern einen besonders gelagerten Fall. Es kann also keine Rede davon sein, daß der X. Senat mit diesem Urteil die noch ausstehende Entscheidung des Großen Senats praktisch schon vorweggenommen hat.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung gem. den Ausführungen BMF-Schreiben zum gewerblichen Grundstückshandel vom 20.12.1990 (BStBl 1990 I S. 884) wird die „Drei-Objekt-Grenze” bei Veräußerung von Mehrfamilienhäusern und Großobjekten überhaupt nicht angewendet. Nach diesem Schreiben kann auch die Veräußerung von weniger als drei Mehrfamilienhäusern oder Großobjekten – je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls – einen gewerblichen Grundstückshandel begründen. Der vom X. Senat des BFH zu beurteilende Sachverhalt zeichnet sich durch die Besonderheit aus, daß ein einziges Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten in zumindest bedingter Absicht der Veräußerung errichtet und in zeitlichem Zusammenhang hiermit veräußert wurde. Die Errichtung auch nur eines einzigen Gebäudes ist – wie der X. Senat im Ergebnis zutreffend feststellt – schon dann gewerblich, wenn jemand auf ein dem Besteller gehörenden Grundstück ein Gebäude errichtet, da er sich insoweit als Bauunternehmer betätigt. Nichts anderes gilt, wenn ein Bauunternehmer einen Bau „in eigener Regie” und auf eigene Rechnung zum Zweck der Veräußerung errichtet.
Wie der Streitfall zeigt, ist die Finanzverwaltung – d.h. hier das zuständige FA – unabhängig von den dedizierten Rechtsüberlegungen im Urteil des X. Senats vom 14.1.1998 (a.a.O.) zur Abgrenzung der „Erwerbsfälle” von den „Errichtungsfällen” zu dem Ergebnis gekommen, daß hier ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen ist. Ansonsten hätte das FA, das im Streitfall erst nach einer Außenprüfung mit Änderungsbescheid vom 29.8.1988 von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen war, den Kläger nach Ergehen des BMF-Schreibens vom 20.12.1990 (a.a.O.) und der damit verbundenen generellen Einführung der „Drei-Objekt-Grenze” klaglos stellen müssen. Dies ist nicht geschehen.
Nachdem die Finanzverwaltung also nach den vorliegenden Erlassen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls hier ohnehin einen gewerblichen Grundstückshandel annehmen würde und – im Streitfall – auch tatsächlich angenommen hat, stellt sich aus Sicht der Verwaltung die Frage nach einer Übergangsregelung bezüglich dieses Urteils nicht.
Die Frage einer Übergangsregelung könnte sich nur stellen, wenn der Große Senat des BFH die Vorlagefrage des X. Senats bejahen sollte, weil die Finanzverwaltung jedenfalls im Anwendungsbereich der von ihr akzeptierten „Drei-Objekt-Grenze” bei Eigentumswohnungen, Einfamilienhäusern und Zweifamilienhäusern der bisherigen BFH-Rechtsprechung folgend nicht zwischen „Erwerbsfällen” und „Errichtungsfällen” unterschieden hat.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2