Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Eine Unterpersonengesellschaft erzielt freiberufliche Einkünfte, wenn neben den unmittelbar an ihr beteiligten natürlichen Personen alle mittelbar beteiligten Gesellschafter der Obergesellschaften über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und in der Unterpersonengesellschaft zumindest in geringfügigem Umfang leitend und eigenverantwortlich mitarbeiten.
2. Die freiberufliche Tätigkeit einer Unterpersonengesellschaft wird nicht bereits dadurch begründet, dass jeder Obergesellschafter zumindest in einer anderen Unterpersonengesellschaft des Personengesellschaftsverbunds als Freiberufler leitend und eigenverantwortlich tätig wird.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2, Abs. 3 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 4 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer KG. Sie war eine Untergesellschaft im S-Konzern. Die oberste Gesellschaftsebene war an zahlreichen weiteren Personen- und Kapitalgesellschaften des S-Konzerns beteiligt. Gesellschafter der Obergesellschaft waren ausschließlich Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte, die aktiv in die Mandatsbearbeitung eingebunden waren. Sie wurden auch in denjenigen Untergesellschaften leitend und eigenverantwortlich tätig, an denen sie als Komplementär beteiligt oder bei denen sie als Geschäftsführer eingesetzt waren. Bei der Klägerin war dies im Streitjahr nicht der Fall.
Im S-Konzern bestanden überregionale Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Branchenschwerpunkten, in denen u.a. spezielle Fälle, Fachfragen und Arbeitshilfen erarbeitet und diskutiert wurden. Hierbei wirkten einzelne Obergesellschafter als Spezialisten bei der Bearbeitung von Mandaten in den Untergesellschaften mit. Bei der Klägerin als Untergesellschaft waren die Gesellschafter der Obergesellschaft im Streitjahr nicht in dieser Weise tätig.
Die Obergesellschafter trafen in Gesellschafterversammlungen Entscheidungen über wesentliche Fragen des Konzerns wie die Finanzierung der Gesellschaften, Investitionen, Forderungsmanagement, Personalstruktur, Umsatzwachstum und Fortbildung. Wesentliche Maßnahmen in den Untergesellschaften wie Praxiseinkäufe und die Bestellung weiterer Komplementäre wurden ebenfalls durch die Obergesellschafter beschlossen.
Das FA stellte im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr für die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest. Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 17.11.2015, 4 K 93/14, Haufe-Index 10869122, EFG 2017, 1092).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Das FG hat die Einkünfte der Klägerin zu Recht als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert.
Hinweis
1. Die von einer Personengesellschaft erzielten Einkünfte sind nur dann als freiberufliche Einkünfte i.S.v. § 18 EStG zu qualifizieren, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen. Jeder Gesellschafter muss über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und die freiberufliche Tätigkeit selbst ausüben. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit zu einer der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufsgruppen nicht aus.
2. Die Gesellschafter müssen an der Bearbeitung der erteilten Aufträge zumindest in der Weise mitwirken, dass sie die mit einem übernommenen Auftrag verbundenen Aufgaben untereinander aufteilen und jeder den ihm zugewiesenen Aufgabenbereich aufgrund seiner Sachkenntnis eigenverantwortlich leitet. Nicht ausreichend ist, wenn der Gesellschafter seiner Gesellschaft lediglich Kapital zur Verfügung stellt oder nur Aufträge beschafft, ohne sich selbst an der Erstellung freiberuflicher Leistungen zu beteiligen.
3. Diese Grundsätze gelten auch bei einer mehrstöckigen Freiberufler-Personengesellschaft. Weil jeder Gesellschafter eigenverantwortlich und leitend tätig sein muss, ist eine mehrstöckige Freiberufler-Personengesellschaft nach Auffassung des BFH nur dann anzuerkennen, wenn alle Obergesellschafter – zumindest in geringfügigem Umfang – auch in der Untergesellschaft leitend und eigenverantwortlich freiberuflich mitarbeiten.
4. Nach diesen Maßstäben hat das FG die von der Klägerin erzielten Einkünfte zutreffend als solche aus Gewerbebetrieb qualifiziert, da im Streitfall nicht sämtliche mittelbar an der Klägerin beteiligten Obergesellschafter leitend und eigenverantwortlich in der Klägerin als Untergesellschaft tätig waren. Allein geschäftsleitende, kontrollierende und koordinierende kaufmännische Tätigkeiten, die nicht zur berufstypischen freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen, reichen nicht aus.
5. Eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin wird auch nicht dadurch begründet, dass die Obergesellschafter zumindest in einer anderen Untergesellschaft des S‐Konzerns als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt leitend und eigenverantwortlich tätig geworden sind. Denn dies ersetzt nicht das Erfordernis, dass die Ober...