Dieser Punkt hat einen weiteren positiven Aspekt für Ihre Verhandlungen. Je besser Sie den Betrieb des Lieferanten kennen, umso besser können Sie seine Kalkulation nachvollziehen. Gerade bei angekündigten Preiserhöhungen zahlt sich dies aus (vgl. Praxis-Beispiel).

 
Praxis-Beispiel

Lieber Kunde,

wir möchten uns für die bisherige erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ihnen bedanken und gehen davon aus, dass wir auch zukünftig gemeinsam erfolgreich sind und unsere Geschäftsbeziehung weiterhin einen positiven Verlauf nimmt.

Sicherlich ist Ihnen bekannt, dass die Preise für Rohöl in den letzten sechs Monaten um 28 % erhöht wurden. Dies führt zu einer erheblichen Preiserhöhungen durch unsere Rohstofflieferanten. Außerdem hat die abgeschlossene Tarifrunde zu einer erheblichen Kostenbelastung für unser Unternehmen geführt.

Wir können diese Belastung nicht mehr allein "schultern". Wir werden deshalb Ihre Einkaufspreise mit Wirkung ab dem 1.1.2004 um 10 % anheben.

Wir gehen von Ihrem Verständnis für diese leider unumgängliche Maßnahme aus und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Meier-Rüttenscheid

- Geschäftsführer -

Dabei sollten Sie versuchen, eine prozesskonforme Kalkulation nachzuvollziehen. Die Kostenstrukturen einzelner Branchen bekommen Sie beispielsweise vom statistischen Bundesamt, das regelmäßig Zeitreihen für die Kostenstruktur des Bergbaus, des verarbeitenden Gewerbes und für die Bauwirtschaft veröffentlicht. Sie finden diese Daten in der Fachserie D, die Sie beim statistischen Bundesamt beziehen können. Derzeit sind die Zeitreihen auf einem Stand von Juni 2002, also relativ aktuell.

Lohnerhöhungen

Hiermit haben Sie einen ersten Ansatz, die Kalkulation Ihres Lieferanten in etwa nachvollziehen zu können (vgl. Tab. 6). Das beliebte Spielchen, wir hatten eine Lohnerhöhung von 5 % zu verkraften und müssen deshalb unsere Preise um 4 % anheben, verfängt nicht mehr, wenn Sie wissen, dass der Lohnanteil der Branche bei 20 % liegt. Es wären maximal 1 % Erhöhung gerechtfertigt und die sollten Sie durch geschicktes Verhandeln abwehren können. Die Informationen über die Lohnerhöhungen bekommen Sie aus jeder Tageszeitung.

 
Zuschlagskalkulation Kalkulation mit Prozesskosten
  Materialeinzelkosten   Materialeinzelkosten
+ Materialgemeinkosten + spezifische Materialkosten
+ spezifische Materialkosten + Prozesskosten der Beschaffung
= Materialkosten (MK) = Materialkosten (MK)
  Fertigungskosten   Fertigungskosten
+ Sondereinzelkosten der Fertigung + Sondereinzelkosten der Fertigung
+ Fertigungsgemeinkosten + Prozesskosten der Fertigung
= Fertigungskosten (FK) = Fertigungskosten (FK)
= Herstellkosten (MK + FK) = Herstellkosten (MK + FK)
  Vertriebseinzelkosten   Vertriebseinzelkosten
+ Sondereinzelkosten Vertrieb + Sondereinzelkosten Vertrieb
+ Vertriebsgemeinkosten + Prozesskosten des Vertriebs
= Vertriebskosten = Vertriebskosten
+ Verwaltungsgemeinkosten + Prozesskosten der Verwaltung
= Selbstkosten = Selbstkosten
+ Gewinn + Gewinn
= Preis = Preis

Tab. 6: Kalkulationsschema

Materialpreiserhöhungen

Ein beliebtes Spiel ist auch die Argumentation mit Materialpreiserhöhungen. Kennen Sie aber den Materialanteil, können Sie entsprechend agieren und der Lieferant wird gar nicht mehr versuchen, so zu argumentieren. Die Entwicklung von Materialpreisen können Sie über das Internet verfolgen oder auch bei Messebesuchen. Für Kunststoffe ist hier beispielsweise die Messe K in Düsseldorf interessant, für chemische Produkte die ACHEMA in Frankfurt. Bisher war die Hannover Messe Industrie das Informationsbarometer für Stahl. Mittlerweile kommen die meisten Stahlhersteller nicht mehr nach Hannover, insofern müssen Sie hier das Internet, die Tageszeitung oder Branchendienste nutzen. Besser noch, Sie bauen sich ein informelles Netzwerk auf.

Investitionsgütermessen sind interessant, um die Preise für die Maschinen und Anlagen sowie deren Lebensdauer zu recherchieren. Damit können Sie dann die Abschreibungen ermitteln und, wenn Sie Ihren Lieferanten beiläufig fragen, wie hoch denn die Stunden- oder Tagesleistung ist, letztlich den Maschinenstundensatz errechnen.

Offenlegung der Kalkulation

Noch besser ist natürlich, Ihr Lieferant legt Ihnen seine Kalkulation offen. Dies passiert aber nur, wenn Sie gegenüber dem Lieferanten über eine entsprechende Einkaufsmacht verfügen oder aber ein sehr enges Verhältnis zueinander haben. Also bleibt Ihnen oftmals nur der indirekte Weg (vgl. Abb. 6).

Abb. 6: Formblatt zur Lieferantenkalkulation

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge