Leitsatz
1. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Beteiligten einer Gewinn- und Verlustgemeinschaft i.S. des § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG eine Mitunternehmerschaft bilden. Über diese Frage ist grundsätzlich – bejahend oder verneinend – im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte zu entscheiden.
2. Die Zulassung einer "Querorganschaft", die eine Ergebniskonsolidierung im Gleichordnungskonzern ermöglichen würde, ist nicht aus unionsrechtlichen Gründen geboten.
Normenkette
§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG
Sachverhalt
Die klagende GmbH gehörte wie ihre Vertragspartnerin, eine AG, zum (EU-ausländischen) X Konzern. Die Schwestergesellschaften fungierten als Holdinggesellschaften für zwei verschiedene Unternehmensbereiche des Konzerns. Sie schlossen im Dezember 2004 (rückwirkend auf den 1.1.2004) einen "Vertrag über die Bildung einer Gewinn- und Verlustgemeinschaft". Durch die Poolung ihrer Gewinne und Verluste unter Aufrechterhaltung ihrer rechtlichen Selbstständigkeit sollte das wirtschaftliche Risiko aus dem sehr zyklischen Geschäft ihrer verschiedenen Beteiligungen gestreut werden. Es ging auch darum, ihre geschäftliche Zusammenarbeit zu vertiefen und gegenseitig Erfahrungen auszutauschen, ihre Geschäftsabläufe zusammenzufassen und zu optimieren. Langfristiges Ziel sei es, die Gesellschaften in einigen Jahren zu verschmelzen. Es bestand die Pflicht, das "gesamte handelsrechtliche Jahresergebnis, sowohl Gewinne als auch Verluste, zur Aufteilung des gemeinschaftlichen Ergebnisses zusammenzulegen" und dann auf die Vertragsparteien im Verhältnis 1 : 1 aufzuteilen. Der Vertrag sollte auf unbestimmte Zeit geschlossen sein. Erstmals konnte er zum Ablauf des Jahres 2007 unter Einhaltung einer Frist gekündigt werden. § 6 des Vertrags regelte die außerordentliche Kündigung z.B. im Fall des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Vertrag wurde in den Handelsregistern eingetragen und vollzogen (je nach Aufteilungsergebnis Ausweis von Forderungen oder Verbindlichkeiten).
Das FG ging von einer gesellschaftsrechtlichen Mitveranlassung des Vertragsschlusses und der Vertragsdurchführung aus (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.3.2014, 10 K 1661/12).
Entscheidung
Der BFH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück; das Klageverfahren ist nun dort auszusetzen (§ 74 FGO) und es ist zunächst ein formell vorrangiges Gewinn-Feststellungsverfahren zu absolvieren.
Hinweis
1. Es ging um einen Vertrag über die Bildung einer Gewinn- und Verlustgemeinschaft zwischen zwei Schwesterkapitalgesellschaften. Ist eine Verlustübernahme durch die eine Gesellschaft eine – wie vom FA praktiziert – einkommenserhöhend anzusetzende verdeckte Gewinnausschüttung (vGA), weil der Vertragsschluss auf das Gesellschafterinteresse (gemeinsame Muttergesellschaft) zurückzuführen ist? Das FG hatte die Vereinbarung (in Übereinstimmung mit den Beteiligten) als "Austauschvertrag" gewürdigt und eine Entscheidung zu dieser vGA-bezogenen "Veranlassungsfrage" getroffen.
2. Der BFH sieht sich hingegen an einer Sachentscheidung gehindert, weil vieles (alles?) in einem dem Steuerfestsetzungsverfahren vorgelagerten Feststellungsverfahren i.S.d. § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO (und dann mit Bindungswirkung für die Festsetzung, § 182 Abs. 1 AO) zu entscheiden sei. Denn ein Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften müsse bereits dann durchgeführt werden, wenn zweifelhaft sei oder es nur möglich erscheine, dass Einkünfte vorliegen, an denen mehrere Personen (hier: als Mitunternehmerschaft) beteiligt sind.
3. So sei es nicht ausgeschlossen, die Gewinngemeinschaft als Innengesellschaft (und "andere Gesellschaft" i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) anzusehen, die einen Gewerbebetrieb unterhalte. Auch eine Mitunternehmerstellung der einzelnen Beteiligten sei nicht von vornherein auszuschließen. Im Übrigen sei auch im Feststellungsverfahren zu entscheiden, ob z.B. mit Blick auf §§ 14 ff. KStG die Anerkennung einer solchen "Querorganschaft" auszuschließen oder (was der BFH allerdings ausdrücklich ablehnt) sie mit Blick auf die grenzüberschreitende Situation (verbundene Muttergesellschaften im EU-Ausland) sogar unionsrechtlich geboten sei. Auch die Frage der Qualifizierung geleisteter (Ausgleichs-)Zahlungen als vGA sei im Feststellungsverfahren zu beantworten.
Dieser letzte Aspekt macht noch einmal den Unterschied zwischen FG und BFH deutlich: Während das FG im Ergebnis schon den Vertragsabschluss "als solchen" einer vGA-bezogenen Veranlassungsprüfung unterzogen hat, würdigt der BFH den Vertragsabschluss offenkundig als "nicht durch das Gesellschafterinteresse veranlasst". Es ist nicht deutlich, ob dies eine erneute vGA-Prüfung im Festsetzungsverfahren hindern kann, wenn (was ja nicht ausgeschlossen ist!) das nun in Gang zu setzende Feststellungsverfahren mit einem negativen Festste...