Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Die Gewinnrealisierung tritt bei Planungsleistungen eines Ingenieurs nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung ein, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 HOAI entstanden ist.
2. Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI sind nicht wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 EStG, § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz HGB, § 631, § 640 BGB, § 8 Abs. 2 HOAI
Sachverhalt
Eine KG, die ein Ingenieurbüro für Bautechnik betreibt und ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt, aktivierte in ihrer Bilanz "unfertige Leistungen" und passivierte "erhaltene Anzahlungen" als Verbindlichkeiten, da sie davon ausging, dass insoweit eine Gewinnrealisierung noch nicht eingetreten sei. Das FA vertrat dagegen die Auffassung, dass ein wesentlicher Teil der Leistungen, die die Klägerin in ihrer Bilanz als unfertige Leistungen ausgewiesen hatte, bereits wirtschaftlich erfüllt und der Gewinn auch insoweit realisiert sei. Für mögliche Belastungen durch Restarbeiten und Planungsfehler setzte es eine Rückstellung i.H.d. Differenz zwischen den Honorarforderungen und den erhaltenen Anzahlungen an und erhöhte den Gesamthandsgewinn der Klägerin entsprechend.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das FG der Klage teilweise stattgegeben (FG Düsseldorf, Urteil vom 12.4.2011, 13 K 3413/07 F, Haufe-Index 2970542, EFG 2012, 816). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der Gewinn nur insoweit realisiert worden sei, als die Planungsleistungen der Klägerin (fiktiv oder konkludent) abgenommen worden seien. Der Gewinnfeststellungsbescheid sei insoweit rechtswidrig, als in dem festgestellten Gewinn Abschlagszahlungen für Projekte erfasst worden seien, die am Bilanzstichtag noch nicht abgenommen worden seien.
Entscheidung
Die Revision der Klägerin blieb in der Sache erfolglos. Der BFH entschied, dass sich ein höherer als der vom FA im Anschluss an das FG-Urteil festgestellte Gewinn ergebe, da in diesem nicht alle von der Klägerin gem. § 8 Abs. 2 HOAI vereinnahmten Abschlagszahlungen mit gewinnrealisierender Wirkung erfasst worden seien. Das Verbot der reformatio in peius schließe indessen die Feststellung eines höheren Gewinns aus
Hinweis
Hier geht es um einen Sonderfall der Gewinnrealisierung:
1. Der Zeitpunkt der Aktivierung von Forderungen bestimmt sich auch bei der Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 1 EStG nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Zu diesen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz HGB geregelte Realisationsprinzip, demzufolge Gewinne nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind.
2. Bei Lieferungen und anderen Leistungen wird Gewinn realisiert, wenn der Leistungsverpflichtete die von ihm geschuldeten Erfüllungshandlungen "wirtschaftlich erfüllt" hat und ihm die dafür zu leistende Zahlung – von den mit jeder Forderung verbundenen Risiken abgesehen – so gut wie sicher ist. Ob am Bilanzstichtag die Rechnung bereits erteilt ist, ob die geltend gemachten Ansprüche noch abgerechnet werden müssen, ist ohne Bedeutung.
3. Eine Dienst- oder Werkleistung ist "wirtschaftlich erfüllt", wenn sie – abgesehen von unwesentlichen Nebenleistungen – erbracht ist.
a) |
Bei Werkverträgen i.S.d. § 631 BGB bedarf es grundsätzlich der Übergabe und der Abnahme des Werks durch den Besteller (§ 640 BGB), um die handels- und steuerrechtliche Gewinnrealisierung herbeizuführen. Dies hat zur Folge, dass Anzahlungen des Bestellers bis zur Abnahme nach den Grundsätzen über schwebende Geschäfte, d.h. noch nicht gewinnwirksam, zu bilanzieren sind. |
b) |
Die Rechtsfolgen der Abnahme für den Zahlungsanspruch können jedoch durch Sondervorschriften, etwa eine Gebührenordnung für bestimmte Berufe, verdrängt werden.
aa) |
Eine solche Spezialregelung ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Nach ihrem im Streitjahr maßgeblichen § 8 Abs. 2 hat der Werkunternehmer in angemessenen zeitlichen Abständen für bereits nachgewiesene Leistungen einen Anspruch auf Abschlagszahlungen. Dieser setzt lediglich voraus, dass der Auftragnehmer die (Teil-)Leistung abnahmefähig erbracht und eine prüfbare Rechnung wie bei der Schlussrechnung vorgelegt hat. Mit der auftragsgemäßen Erbringung der Planungsleistung ist die Abschlagszahlung bereits verdient. Sie ist dem Leistenden auch "so gut wie sicher", da eine Rückforderung geleisteter Abschlagszahlungen ausgeschlossen ist, wenn der Auftragnehmer dafür eine prüfbare Honorarschlussrechnung vorlegt. |
bb) |
Es besteht somit in derartigen Fällen kein Grund, Abschlagszahlungen nach § 8 Abs. 2 HOAI wie Anzahlungen auf schwebende Geschäfte zu bilanzieren und von einer Gewinnrealisierung bis zur Abnahme des gesamten Werkes abzusehen. So klar hatte das der BFH bisher noch nicht ausgesprochen. |
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Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.5.2014 – VIII R 25/11