Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Veräußert ein Land- und Forstwirt seine Nutzflächen und setzt seine land- und forstwirtschaftliche Betätigung an einem neuen, mehr als 200 km entfernt liegenden Standort fort, so scheitert die Übertragung der realisierten stillen Reserven nach §§ 6c und 6b EStG auf Reinvestitionen nicht bereits daran, dass er die am neuen Standort erworbenen landwirtschaftlichen Nutzflächen teilweise sowie eine Milchreferenzmenge vollständig verpachtet bzw. verleast (Fortführung von BFH-Urteil vom 17.6.1993, IV R 110/91, BStBl II 1993, 752).
Normenkette
§ 4 Abs. 1 Satz 4 EStG , § 6b EStG , § 6c EStG , § 13 EStG , § 13a EStG
Sachverhalt
Ein Landwirt hatte im Flurbereinigungsverfahren den größten Teil seiner Betriebsfläche gegen Verzicht auf Landabfindung veräußert. Die ihm verbliebene Hoffläche veräußerte er anschließend. Zur Abfindung nach der Höfeordnung übertrug er nahezu die gesamte Restfläche auf seine Geschwister. Am Ende verblieb ihm nur noch ein Wald von 1 372 m².
Kurz vor Abschluss des Flurbereinigungsverfahrens hatte der Landwirt in 200 km Entfernung ca. 63 ha landwirtschaftliche Nutzfläche einschließlich Milchquote erworben und ließ dort eine Hofstelle errichten. Die Bewirtschaftung übernahm er aber nicht selbst, sondern verpachtete die Flächen mit Ausnahme von Wasser-, Moor- und Hofflächen einschließlich der Milchquote.
Gleichwohl war der Kläger auch noch selbst landwirtschaftlich tätig. Am alten Standort hielt er auf einer ehemals eigenen zurückgepachteten Fläche von ca. 3 ha noch Vieh. Am neuen Standort pachtete er einen Stall und Flächen von ca. 5 ha an und betrieb Ammenkuhhaltung und Rindermast.
Den Gewinn aus den Veräußerungen am alten Standort wollte der Landwirt auf die Anschaffungskosten der neu erworbenen Flächen im Rahmen seiner Gewinnermittlung gem. § 13a EStG nach §§ 6b, 6c EStG übertragen. Das FA ging hingegen von einer Betriebsaufgabe am alten Standort aus.
Zum Betriebsvermögen des neuen Betriebs gehörten die dort erworbenen Flächen nicht, weil sie verpachtet seien und die Bildung von gewillkürtem Betriebsvermögen bei Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen unzulässig sei. Deshalb komme eine Übertragung stiller Reserven nicht in Betracht.
Das FA unterwarf den Veräußerungsgewinn dem halben Steuersatz und behandelte die Pachteinnahmen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das FG schloss sich dieser Auffassung an.
Entscheidung
Anders beurteilte der BFH die Rechtslage. Es könne offen bleiben, ob der alte Betrieb aufgegeben, abgewickelt oder verlegt worden sei. In jedem Fall sei eine Gewinnübertragung nach §§ 6b, 6c EStG möglich. Denn der Kläger habe einen neuen landwirtschaftlichen Betrieb erworben. Das Fehlen einer Hofstelle sei unschädlich, zumal eine neue Hofstelle errichtet worden sei. Auch die anschließend verpachteten Flächen seien zunächst notwendiges Betriebsvermögen geworden. Die Verpachtung führe dann auch bei Gewinnermittlung nach § 13a EStG nicht zu einer Änderung der Betriebsvermögenseigenschaft.
Da das FG noch keine Feststellungen zu den Anschaffungskosten der angeschafften Wirtschaftsgüter getroffen hatte, verwies der BFH das Verfahren wieder an das FG zurück.
Hinweis
1. Auch der an der "eigenen Scholle" hängende Landwirt muss heutzutage Flexibilität beweisen. Umlegungsverfahren im Zusammenhang mit einer Flurbereinigung, vor allem aber im Fall einer Umwidmung zu Bauland führen immer häufiger dazu, dass alte Betriebe aufgegeben und anderenorts neue Betriebe gegründet werden. Steuerrechtlich geht es in diesen Fällen darum, die aufgedeckten stillen Reserven nicht sofort besteuern zu müssen, um die finanzielle Basis für den Aufbau des neuen Betriebs nicht zu schmälern.
Dazu bietet sich die Gewinnübertragung nach § 6b EStG je nach Gewinnermittlung i.V.m. § 6c EStG an. Der BFH stellt im Besprechungsfall noch einmal klar, dass diese Gewinnübertragung unabhängig davon möglich ist, ob der alte Betrieb im Sinn des § 16 EStG aufgegeben, über einen längeren Zeitraum abgewickelt oder aber nur unterbrochen und nach Verlegung neu aufgenommen wird. Diese Abgrenzungen haben Bedeutung für den ermäßigten Steuersatz und den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG und natürlich dafür, ob auch in zurückbehaltenen Wirtschaftsgütern enthaltene stille Reserven aufzudecken sind. Die durch Veräußerung aufgedeckten stillen Reserven dürfen aber in all diesen Fällen übertragen werden.
2. Probleme bei der Übertragung ergeben sich jedoch dann, wenn nach der Umsiedlung nicht genügend betriebliche Wirtschaftsgüter angeschafft worden sind, auf die der Gewinn übertragen werden könnte.
Das ist vor allem dann der Fall, wenn nicht ein selbstbewirtschafteter Betrieb erworben wird, sondern ein verpachteter Betrieb. Denn dieser Betrieb stellt nach der Rechtsprechung des BFH Privatvermögen dar. Anders kann es allerdings dann sein, wenn der Betrieb nachweislich mit dem Ziel und der Möglichkeit einer Eigenbewirtschaftung erworben wird (so im Fall des BFH-Urteils vom 17.6.1993, IV R 110/91, BStBl II 1993, 752).
Noch klarer liegen die ...