Leitsatz
Zur Tätigkeit als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler i.S.v. § 4 Nr. 11 UStG gehört es, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Begriffe des Versicherungsvertreters und Versicherungsmaklers i.S.d. § 4 Nr. 11 UStG sind richtlinienkonform nach Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL und nicht handelsrechtlich nach den Begriffen des Versicherungsvertreters und Handelsmaklers i.S.v. § 92 und § 93 HGB auszulegen (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 4 Nr. 11 UStG 1993, Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger war selbstständig als sog. Werbeagent für eine KG tätig. Die KG vereinbarte die Gesprächstermine mit den potenziellen Versicherungskunden, bei denen der Kläger im Regelfall Daten über Sozialversicherungen, private Lebensversicherungen, Pensionsvereinbarungen und Direktversicherungen (versicherungstechnische Inventur) ermittelte.
Die KG erstellte aufgrund der Daten ein Versicherungskonzept für den potenziellen Kunden, das den Hauptvertretern mit Abschlussvollmacht unterbreitet wurde. Die Provision des Klägers richtete sich danach, ob die versicherungstechnische Inventur nur angebahnt oder auch durchgeführt wurde.
Das FA beurteilte die Provision als steuerpflichtig. Das FG stützte die Klageabweisung auf § 92 HGB (EFG 2006, 300). Der Kläger habe mit der Erhebung von versicherungsrelevanten Daten lediglich Geschäftsbeziehungen angebahnt und eine bloße Werbetätigkeit ausgeübt.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Denn nach den – bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) – Feststellungen des FG beschränkte sich die Tätigkeit des Klägers im Wesentlichen auf das bloße Erheben von Daten. Zwar konnten die Versicherungen ohne vorherige Datenerhebung nicht abgeschlossen werden. Dies reichte aber für die Steuerfreiheit nicht aus, da es sich nur um eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Versicherungssituation des Interessenten handelte, ohne den Kunden Versicherungsangebote auch nur zu erläutern.
Hinweis
1.§ 4 Nr. 11 UStG befreit die Umsätze "aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler". Es kommt nur darauf an, dass die Tätigkeit die wesentlichen Aspekte der steuerfreien Versicherungsvermittlungstätigkeit umfasst, nämlich "Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzuführen" (EuGH, Urteil vom 03.06.2005, Rs. C-472/03 – Arthur Andersen –, BFH-PR 2005, 189). Die handelsrechtlichen Begriffe (§§ 92 f. HGB) sind nicht maßgebend.
2. Allerdings: Im Urteil Arthur Andersen hatte der EuGH ausgeführt, Leistungen von Versicherungsmaklern und -vertretern (Art. 13 Teil B Buchst. a der 6. EG-RL) seien nur steuerfrei, wenn sie zugleich zum Versicherer und zum Versicherungsnehmer in Beziehung stünden (Rd.Nr. 33). In dem zu Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der 6. EG-RL ergangenen EuGH-Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05, Ludwig (BFH/NV Beilage 2007, 398, Rd.Nrn. 34 ff.) betont der EuGH, dass die Wirtschaftsteilnehmer bei einer Kreditvermittlung berechtigt sind, ein ihnen zusagendes Organisationsmodell zu wählen, ohne dass dies zur Steuerpflicht der Leistung führt. Das bedeutet, Steuerfreiheit kann deshalb auch eine Leistung beanspruchen, die nicht unmittelbar die Vermittlung zwischen Versicherer und dem Versicherungsnehmer zum Gegenstand hat ("Untervermittler"). Dies gilt aber nur, wenn die einzelne Leistung ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist deshalb im Einzelfall zu prüfen.
3. Allgemein sind Unterstützungsleistungen für die Ausübung der dem Versicherer selbst obliegenden Aufgaben steuerpflichtig. So gehören z.B. Dienstleistungen wie z.B. die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters (EuGH-Urteil "Arthur Andersen" Rd.Nr. 35). Insoweit bestehen zwischen den Steuerbefreiungen für den Versicherungsbereich und für den Bank- und Finanzbereich nach Art. 13 Teil B Buchst. a und Buchst. b der 6. EG-RL keine Unterschiede (EuGH, Urteil "Arthur Andersen" Rd.Nrn. 37 f.). Auch das bloße Einholen von Kundendaten erfüllt nicht als im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Versicherungsvermittlungstätigkeit.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.09.2007, V R 50/05