Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
2.1 Sachverhalt
Investor I besitzt in München ein gemischt genutztes Mietobjekt, das er in 2018 zu 45 % für den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Umsätze und zu 55 % für vorsteuerabzugsschädliche Ausgangsleistungen (nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie Vermietung) verwendet. Im September 2018 lässt er von einem österreichischen Dachdecker das Dach des Gebäudes neu eindecken. Nach Abnahme der Arbeiten am 28.9.2018 erhält I am 6.10.2018 die Rechnung vom 4.10.2018 über 30.000 EUR.
Da I mit den Arbeiten nicht ganz zufrieden war, lässt er sich noch im Oktober 2018 von dem in Wien (Österreich) ansässigen Rechtsanwalt R zu einem vorab vereinbarten Pauschalhonorar von 1.500 EUR beraten. Nach dem Rechtsrat des R bezahlt I die Rechnung des Dachdeckers im Oktober 2018. Nach Vorlage der Rechnung des R im November 2018 zahlt I auch die 1.500 EUR an den Rechtsanwalt.
2.2 Fragestellung
I möchte wissen, welche umsatzsteuerrechtlichen Folgen sich für ihn in den angegebenen Voranmeldungszeiträumen ergeben, wenn er monatliche Voranmeldungen abgibt.
2.3 Lösung
I ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist. Zum Rahmen seines Unternehmens gehört offensichtlich die Vermietungstätigkeit in München. I bezieht für sein Unternehmen sowohl die Leistung des österreichischen Dachdeckers als auch die Leistung des österreichischen Rechtsanwalts. Die Leistungen sind jeweils separat zu prüfen:
Bei der Leistung des Dachdeckers handelt es sich um eine von einem Unternehmer ausgeführte Werklieferung, da davon auszugehen ist, dass der Dachdecker die von ihm benötigten Materialen ("Hauptstoff") selbst beschafft. Der Ort der Werklieferung bestimmt sich nach § 3 Abs. 5a i. V. m. Abs. 7 Satz 1 UStG (unbewegte Lieferung) und ist dort, wo sich der Gegenstand der Lieferung bei Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Die Werklieferung ist damit in München mit Bauabnahme ausgeführt und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar in Deutschland. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG liegt nicht vor.
Da ein ausländischer Unternehmer i. S. d. § 13b Abs. 7 UStG eine in Deutschland steuerpflichtige Werklieferung ausführt, wird I als Unternehmer zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte Leistung. Die Umsatzsteuer für die Leistung entsteht in diesem Fall mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des der Leistung folgenden Monats. Da die Rechnung erst im Oktober 2018 ausgestellt worden ist, entsteht die Umsatzsteuer bei I im Voranmeldungszeitraum Oktober 2018.
Die Umsatzsteuer entsteht i. H. v. 19 % auf den Nettorechnungsbetrag von 30.000 EUR, somit i. H. v. 5.700 EUR.
Grundsätzlich ist I zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG berechtigt, da er eine Leistung für sein Unternehmen bezieht. Allerdings verwendet er die Leistung zum Teil auch für steuerfreie Ausgangsleistungen (Vermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG), die den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausschließen. Damit müssen die Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 4 UStG aufgeteilt werden.
Vorsteueraufteilung auch nach Umsätzen möglich
Grundsätzlich erfolgt nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG die Vorsteueraufteilung bei Immobilienumsätzen im Verhältnis der steuerfrei zu den steuerpflichtig vermieteten Grundstücksflächen. Eine Aufteilung nach einem (objektbezogenen) Umsatzschlüssel ist denkbar, wenn erhebliche Unterschiede in der Ausstattung der verschiedenen Zwecken dienenden Räume bestehen. Im vorliegenden Fall ergeben sich aber keine Anhaltspunkte für eine vom Flächenschlüssel abweichende Aufteilungsmethode.
Nach den Sachverhaltsangaben verwendet I das Gebäude zu 45 % für vorsteuerabzugsberechtigende Zwecke, sodass er von den geschuldeten 5.700 EUR insgesamt 2.565 EUR abziehen kann.
Die Leistung des Rechtsanwalts wird ebenfalls von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt. Bei der Beratungsleistung handelt es sich um eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, deren Ort sich nach der Grundregelung für die sog. B2B-Umsätze nach § 3a Abs. 2 UStG bestimmt. Der Ort der sonstigen Leistung ist damit dort, wo der Leistungsempfänger sein Unternehmen betreibt.
Abgrenzung zu grundstücksbezogenen Leistungen notwendig
Eine Leistung in Zusammenhang mit einem Grundstück nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG liegt bei einer allgemeinen Rechtsberatung nicht vor. Eine sonstige Leistung i.Z.m. einem Grundstück kann sich bei Rechtsberatungen dann ergeben, wenn sie mit Grundstücksübertragungen sowie mit der Begründung oder Übertragung von bestimmten Rechten an Grundstücken oder dinglichen Rechten an Grundstücken zusammenhängen. Dies liegt hier nicht vor. Da die Rechtsfolgen bei Leistungen im Zusammenhang mit Grundstücken grundsätzlich anders sind als bei der B2B-Grundregelung, muss immer genau abgegrenzt werden, welche Art Leistung tatsächlich vorliegt.
Die von dem Rechtsanwalt in Deutschland ausgeführte sonstige Leistung ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und in Ermangelung einer Steuer...