Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
G ist Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG, da er selbstständig, nachhaltig und mit Einnahmeerzielungsabsicht tätig ist. Zum Rahmen seines Unternehmens gehört sein Großhandel.
G bezieht für sein Unternehmen mit der Softwarewartung eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG, die von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt wird. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG und ist dort, wo der Leistungsempfänger G sein Unternehmen betreibt. Die Leistung des Softwareunternehmens ist damit nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG in Deutschland steuerbar. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG greift für Softwarewartungen nicht.
G wird zum Steuerschuldner für die ihm gegenüber ausgeführte sonstige Leistung. Da es sich bei dem leistenden Unternehmer um einen ausländischen Unternehmer handelt, der aber nicht im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässig ist, bestimmt sich die Steuerschuld nicht nach § 13b Abs. 1 UStG, sondern nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG. G wird Steuerschuldner nach § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG.
Die Umsatzsteuer entsteht nach § 13b Abs. 2 UStG mit Ausstellung der Rechnung, spätestens mit Ablauf des der Leistung folgenden Monats. Da nach dem Sachverhalt nicht davon auszugehen ist, dass in 2018 eine Rechnung ausgestellt wurde und die Leistung erst nach Abschluss des Leistungszeitraums (30.6.2021) ausgeführt worden ist, würde eine Umsatzsteuer in 2018 noch nicht entstehen.
Prüfung auf Teilleistungen notwendig
Zu prüfen wäre noch, ob Teilleistungen i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und Satz 3 UStG vorliegen oder Anzahlungen geleistet worden sind. In diesen Fällen würde die Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 4 UStG entstehen. Nach den Sachverhaltsangaben liegen aber keine Teilleistungen oder Anzahlungen vor.
Allerdings entsteht in 2018 eine Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 3 UStG, da eine sonstige Leistung nach § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG dauerhaft über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ausgeführt wird. In diesem Fall entsteht die Umsatzsteuer (anteilig) mit Ablauf eines jeden Kalenderjahrs, in dem sie tatsächlich ausgeführt worden ist.
Leistung von mehr als 1 Jahr notwendig
Keine Anwendung findet § 13b Abs. 3 UStG bei kalenderjahrübergreifenden Leistungen von weniger als einem Jahr (z. B. Leistung von September 2018 bis Juli 2019).
Da es sich um eine gleichmäßig über den Leistungszeitraum zu erbringende sonstige Leistung handelt, ist auch das vereinbarte Gesamtentgelt linear über diesen Zeitraum zu verteilen. Damit entfällt auf den Leistungszeitraum vom 1.7.2018 bis 31.12.2018 ein anteiliges Entgelt von 10.000 EUR (1/6 von 60.000 EUR). Mit Ablauf des Kalenderjahrs 2018 entsteht somit eine Umsatzsteuer i. H. v. 19 % auf das anteilige vereinbarte Entgelt von 10.000 EUR mit 1.900 EUR. Da die Umsatzsteuer mit Ablauf des Kalenderjahrs 2018 entsteht, muss G diese in der Voranmeldung für Dezember 2018 mit angeben. Da G zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist, kann er die im Dezember 2018 entstehende Umsatzsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG als Vorsteuer abziehen.
Vorsteuerabzug setzt beim Reverse-Charge-Verfahren keine Rechnung voraus
Für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG ist es nicht erforderlich, dass eine Rechnung vorliegt. Auch eine nicht ordnungsgemäße Rechnung des leistenden Unternehmers schließt den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers im Reverse-Charge-Verfahren nicht aus.
In den Folgejahren ergeben sich vergleichbare Rechtsfolgen. Im Dezember 2019 und Dezember 2020 würde jeweils auf einen Teilbetrag von 20.000 EUR eine Umsatzsteuer von 19 % (jeweils 3.800 EUR) entstehen. In 2021 würde dann – nach Ausführung der Leistung mit Ablauf des 30.6.2021 nochmals eine Umsatzsteuer auf den weiteren Restbetrag von 10.000 EUR entstehen.