Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 113
Die Finanzverwaltung hat zu den hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Abbruchkosten und des Restbuchwertes unter Angabe der BFH-Rechtsprechung eine Aufteilung auf die zu unterscheidenden Fälle, wann sofort abziehbare Betriebsausgaben, Herstellungskosten bei neu errichteten Gebäuden oder Anschaffungskosten des Grund und Bodens vorliegen, vorgenommen (H 6.4 EStH (Abbruchkosten)).
Rz. 114
Wird ein im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen enthaltenes Gebäude vollständig abgerissen, sind die Abbruchkosten und der Restbuchwert des Gebäudes grundsätzlich als Betriebsausgaben zu erfassen. Gleiches gilt für Gebäude, die zum Zwecke der eigenen Nutzung durch den Steuerpflichtigen erworben wurden (Erwerb ohne Abbruchabsicht).
Wird das erworbene Gebäude hingegen in Abbruchabsicht erworben, sind folgende Fälle zu unterscheiden:
Fall 1: Erwerb eines objektiv noch nicht verbrauchten Gebäudes
Wird ein Gebäude, welches technisch oder wirtschaftlich nicht verbraucht war, in Abbruchabsicht erworben, dürfen die Abbruchkosten und der Buchwert des Gebäudes nicht sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden. Steht der Abbruch mit der Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts in einem engen Zusammenhang, sind die Abbruchkosten und der Restbuchwert des abgerissenen Gebäudes dem neuen Wirtschaftsgut zuzurechnen. Wird hingegen kein neues Gebäude errichtet, werden die Abbruchkosten und der Restbuchwert zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens zugerechnet, da der Steuerpflichtige wirtschaftlich auch einen Kaufpreisanteil für das Gebäude zum Zwecke des Erwerbs des Grund und Bodens aufgewendet hat. Das Gebäude selbst stellt für ihn subjektiv keinen Wert dar. Dies rechtfertigt es, den dem Veräußerer vergüteten Wert des erworbenen und dann abgebrochenen Gebäudes beim Erwerber dem Wert des Grund und Bodens hinzuzurechnen. Wird das Gebäude nicht unmittelbar nach dem Erwerb abgebrochen, liegen nachträglich anfallende Anschaffungskosten für den Grund und Boden vor.
Rz. 115
Indizien für eine Abbruchabsicht sind entsprechende Vertragsklauseln, eine unterlassene Gebäudenutzung und insbesondere der Abbruch innerhalb von 3 Jahren nach Erwerb. Ein (Teil-)Abbruch des Gebäudes innerhalb von 3 Jahren nach der Anschaffung spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine Abbruchabsicht. Der für eine Abbruchabsicht sprechende Beweis des ersten Anscheins kann der Steuerpflichtige durch einen Gegenbeweis entkräften, insbesondere derart, dass es zu dem Abbruch erst aufgrund eines ungewöhnlichen, nicht typischen Geschehensablaufs gekommen ist. Nicht erforderlich ist der Vollbeweis des Gegenteils.
Rz. 116
Damit ist nicht ausgeschlossen, dass in besonders gelagerten Fällen, z. B. bei großen Arrondierungskäufen, auch bei einem Zeitraum von mehr als 3 Jahren zwischen Erwerb und Beginn des Abbruchs der Beweis des ersten Anscheins für einen Erwerb in Abbruchabsicht spricht.
Rz. 117
Für den Beginn der 3-Jahresfrist ist in der Regel der Abschluss des obligatorischen Rechtsgeschäfts maßgebend. Auf den Zeitpunkt der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch kommt es nicht an.
Rz. 118
Die Entscheidung der Frage, ob im Einzelfall der Beweis des ersten Anscheins als entkräftet angesehen werden kann, ist dem Bereich der Beweiswürdigung und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. In der Würdigung, ob es im Einzelfall dem Steuerpflichtigen gelungen ist, die Vermutung einer Abbruchabsicht zu widerlegen, hat das FG als Tatsacheninstanz die gesamten Umstände des Streitfalls einzubeziehen.
Rz. 119
Für die Entkräftung des Beweises des ersten Anscheins, dass ein Gebäude in Abbruchabsicht erworben wurde, ist nicht der Beweis des Gegenteils, sondern nur der Gegenbeweis erforderlich und ausreichend. Entkräftet der Steuerpflichtige den Beweis des ersten Anscheins, so trifft das Finanzamt (wieder) die objektive Beweislast, dass das Gebäude in Abbruchabsicht erworben wurde. Erwerb in Abbruchabsicht setzt die Absicht voraus, das Gebäude in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb abzubrechen.
Rz. 120
Die Erfassung des Wertes des abgebrochenen Gebäudes und der Abbruchkosten in obigen Fällen bei den Anschaffungskosten des Grund und Bodens entspricht dem einkommensteuerrechtlichen Anschaffungskostenbegriff.
Rz. 121
Fall 2: Erwerb eines objektiv wertlosen Gebäudes
War das Gebäude im Zeitpunkt des Erwerbs nicht nur für den Erwerber, sondern objektiv wertlos, entfallen die gesamten Anschaffungskosten auf den Grund und Boden, und zwar auch, wenn der Kaufpreis von den Vertragsparteien auf den Grund und Boden einerseits und auf das – wertlose – Gebäude andererseits aufgeteilt worden ist. Wird infolge des Abbruchs ein neues Gebäude errichtet, sind die Abbruchkosten als Herstellungskosten des neu errichteten Gebäudes zu aktivieren.
Rz. 122
Wird die im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs vorhandene Neubauabsicht später aufgegeben, das Gebäude aber gleichwohl abgebrochen, dürfen der Gebäude-Restbuchwert und die Abbruchkosten gewinnmindernd...