FinMin Baden-Württemberg, Erlaß v. 18.12.2009, 3 - S 450.5/18
Bezug: Erlass vom 28.4.2005, 3 – S 450.5/18 in der durch Erlass vom 11.10.2007, 3 – S 450.1/6 geänderten Fassung.
a) Kapitalgesellschaften
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteile vom 31.3.1982, II R 92/81, BStBl 1982 II S. 424 und 8.6.1988, II R 143/86, BStBl 1988 II S. 785) können personenbezogene Befreiungsvorschriften in Fällen der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG) nicht angewendet werden. Der BFH hat dies damit begründet, dass beim Anteilserwerb derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt werde, als habe er ein Grundstück von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen. Dies gilt sinngemäß auch für die ab 1.1.2000 geltende Fassung des § 1 Abs. 3 GrEStG, nach der unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile vereinigt sein müssen.
Für die Fälle des § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG haben die Urteile keine Bedeutung. Da die Grundstücke einer Gesellschaft, deren Anteile zu mindestens 95 % in einer Hand vereinigt sind, grunderwerbsteuerrechtlich diesem Gesellschafter zugerechnet werden, ist bei einer Übertragung der Anteile davon auszugehen, dass der neue Gesellschafter die Grundstücke von dem früheren Gesellschafter und nicht von der Gesellschaft erwirbt. Für die Fälle, in denen mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft von einem Gesellschafter auf einen anderen übertragen werden, steht somit der Anwendung personenbezogener Befreiungsvorschriften nichts entgegen.
In allen Fällen des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG findet die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG keine Anwendung, weil der Erwerb des Grundstücks von der Gesellschaft auf einer durch § 1 Abs. 3 GrEStG angeordneten Fiktion und damit nicht auf einer Schenkung beruht. Insoweit liegen zwei unterschiedliche Rechtsvorgänge vor, so dass auch keine Doppelbesteuerung desselben Vorgangs gegeben ist.
Bei einer Übertragung von Anteilen in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nrn. 3 und 4 GrEStG ist davon auszugehen, dass der neue Gesellschafter die Grundstücke von dem früheren Gesellschafter und nicht von der Gesellschaft erwirbt. Aus diesem Grunde kann die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG Anwendung finden.
b) Personengesellschaften
Zu den Gesellschaften i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG gehören auch Personengesellschaften (BFH-Urteile vom 25.2.1969, II 142/63, BStBl 1969 II S. 400 ; vom 11.6.1975, II R 38/69, BStBl 1975 II S. 834 und 26.7.1995, II R 68/92, BStBl 1995 II S. 736). Dabei ist aber zu beachten, dass im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG bei Personengesellschaften unter „Anteil an der Gesellschaft” die gesamthänderische Mitberechtigung und nicht die vermögensmäßige Beteiligung am Gesellschaftskapital zu verstehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 26.7.1995, BStBl 1995 II S. 736). Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 GrEStG ist § 1 Abs. 2a GrEStG vorrangig anzuwenden.
Beispiel:
Ein Erwerbsvorgang i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 GrEStG ist gegeben, wenn bei einer GmbH & Co. KG mit Grundbesitz einer der Kommanditisten sowohl die anderen Kommanditanteile als auch mindestens 95 % der Anteile an der Komplementär-GmbH erwirbt.
Für Erwerbsvorgänge i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG bei Personengesellschaften sind die personenbezogenen Befreiungsvorschriften zu beachten. Die unter Buchst. a) genannten BFH-Urteile vom 31.3.1982 und vom 8.6.1988 sind jeweils zur Anteilsvereinigung bei einer Kapitalgesellschaft ergangen. Die Schlussfolgerungen aus diesen Urteilen können nicht gleichermaßen für Personengesellschaften gezogen werden. Personengesellschaften sind weder zivilrechtlich noch grunderwerbsteuerrechtlich (vgl. §§ 5, 6 GrEStG) uneingeschränkt als selbstständig anzusehen. Eigentümer des Vermögens einer Personengesellschaft sind die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit. Die besondere Rechtsnatur der Personengesellschaften rechtfertigt es daher auch, persönliche Eigenschaften der Gesellschafter im Grundstücksverkehr mit der Gesellschaft, d.h. mit der Gesamtheit der Gesellschafter, zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 21.11.1979, II R 96/76, BStBl 1980 II S. 217 zu einem Erwerbsfall des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 6 GrEStG sowie BFH-Beschluss vom 26.2.2003, II B 202/01, BStBl 2003 II S. 528).
Die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG findet hier in den Fällen des § 1 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 GrEStG ebenfalls keine Anwendung.
§ 6 Abs. 2 und 3 GrEStG ist anwendbar, da derjenige, in dessen Hand sich die Vereinigung der Anteile i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG vollzieht, grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt wird, als habe er das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Für den Anwendungsbereich des § 6 GrEStG liegen somit fiktive Grundstücksübertragungen von der GmbH & Co. KG auf den künftigen Alleinkommanditisten bzw. die Personengesellschaft vor. Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bzw. 2 GrEStG können hiernach gleichzeitig sowohl nach einer personenbezogenen Befreiungsvorschrift als auch ...