Leitsatz

Rückgängigmachung im Sinne des § 16 Abs. 1 GrEStG und Unwirksamkeit einer Abtretungsanzeige, wenn deren Eingang als Fax als auch der Zugang des Originals vor der Entstehung des Anspruchs lagen

 

Sachverhalt

Die Klägerin veräußerte mit notariellem Kaufvertrag an die B-ApS des Rechtsanwalts C... als amtlich bestellter Vertreter des Notars D ein Grundstück. Der Kaufvertrag enthielt zur Rückabwicklung folgendes:

„... Der Käufer verpflichtet sich, die Auflassungsvormerkung am Kaufgegenstand wieder löschen zu lassen, wenn der Verkäufer von diesem Kaufvertrag zurückgetreten ist. Zu diesem Zweck wird der Notar vom Käufer unwiderruflich bevollmächtigt, ermächtigt und beauftragt, die am Kaufgegenstand einzutragende Auflassungsvormerkung wieder löschen zu lassen und im Namen des Käufers die Löschung der Auflassungsvormerkung zu bewilligen und zu beantragen und dem Grundbuchamt vorzulegen, wenn (kumulativ):

  1. der Verkäufer dem Notar schriftlich mitgeteilt hat, dass er wegen der nicht rechtzeitigen Zahlung des Kaufpreises vom Kaufvertrag zurückgetreten ist und
  2. der Käufer dem Notar auf schriftliche Anforderung hin nicht innerhalb von 10 Werktagen die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorlegt, wonach dem Verkäufer die Mitwirkung an der Löschung der Auflassungsvormerkung untersagt und/oder ihm aufgegeben wird, den Notar anzuweisen, die Löschung der Auflassungsvormerkung des Käufers nicht zu bewilligen und zu beantragen.”

Die aus dem Grundstückskaufvertrag resultierende Grunderwerbsteuer wurde mit Bescheid festgesetzt und auch gezahlt. Wegen Zahlungsverzug der B-ApS trat die Klägerin vom Kaufvertrag zurück. Entsprechend der Regelungen im Kaufvertrag teilte der Notar den Rücktritt der Klägerin gegenüber dem Käufer, der B-ApS, und dem Beklagten mit.

Die B-ApS und die G-AS unterzeichneten auf einem Formblatt eine Abtretungsanzeige hinsichtlich des Anspruchs der B-ApS auf Grunderwerbsteuererstattung gegen den Beklagten zugunsten der G-AS. Diese Abtretungsanzeige wurde dem Beklagten zusammen mit einem Antrag auf Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung am 16.4.2015 per Telefax mit dem Zusatz "Vorab per Telefax" versendet und ging dem Beklagten zu.

Mit Einwurf-Einschreiben sandte der Notar die Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung an das Grundbuchamt beim Amtsgericht E und setzte per E-Mail vom gleichen Tag die Klägerin über den Versand der Löschungsbewilligung in Kenntnis; der Mail war im Anhang eine Kopie der Löschungsbewilligung beigefügt.

Die Grunderwerbsteuerfestsetzung wurde mit Bescheid aufgehoben. Später teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass eine Auszahlung des Guthabens nicht mehr möglich sei, weil die Erstattung bereits erfolgt sei. Es hätte eine vorrangige Abtretung vorgelegen und es sei eine Aufrechnung vorgenommen worden. Die Klägerin beantragte, den Abrechnungsbescheid zur Grunderwerbsteuer und die Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass ein auszuzahlender Betrag in Höhe von X EUR zugunsten der Klägerin ausgewiesen wird.

Der Beklagte (das Finanzamt) beantragte, die Klage abzuweisen.

 

Entscheidung

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Abrechnungsbescheid in ihren Rechten verletzt. Das Finanzgericht begründet die Entscheidung unter anderem wie folgt: Nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG wird die Steuerfestsetzung auf Antrag unter anderem dann aufgehoben, wenn ein Erwerbsvorgang vor dem Übergang des Eigentums am Grundstück auf den Erwerber durch Vereinbarung der Vertragspartner innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer rückgängig gemacht wird. "Rückgängig gemacht" ist ein Erwerbsvorgang, wenn sich über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 GrEStG nicht schon dann erfüllt, wenn lediglich das den Steuertatbestand erfüllende Rechtsgeschäft –zivilrechtlich wirksam – aufgehoben oder durch einseitige Erklärung vernichtet wird.

Vielmehr setzt die (tatsächliche und vollständige) Rückgängigmachung im Sinne des § 16 Abs. 1 GrEStG voraus, dass die Parteien vom Vollzug des unwirksamen Rechtsgeschäfts Abstand nehmen und sich gegenseitig die etwa ausgetauschten Leistungen zurückgewähren. Die Vertragsparteien müssen, um das wirtschaftliche Ergebnis des zivilrechtlich unwirksam gewordenen Verpflichtungsgeschäfts im vorbeschriebenen Sinne wieder zu beseitigen, sämtliche Wirkungen aus dem Erwerbsvorgang aufheben und sich so stellen, als wäre dieser nicht zustande gekommen. Eine tatsächliche Rückgängigmachung setzt insbesondere die Löschung einer zugunsten des Erwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung voraus. Eine Auflassungsvormerkung beeinträchtigt nämlich die Verkehrsfähig...

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