FinMin Baden-Württemberg, Erlaß v. 10.8.1995 S 4543 /2
Beabsichtigen die Beteiligten eines Erwerbsvorgangs, die Rechtsfolgen eines zwischen Veräußerer (V) und Ersterwerber (E1) abgeschlossenen Vertrages (Grundstückskaufvertrag) ganz oder teilweise auf einen Zweiterwerber (E2) überzuleiten, so sind folgende Gestaltungsalternativen möglich:
1. Vereinbarung von Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt
Die wirksame Vereinbarung einer Vertragsübernahme oder eines -beitritts bedarf der Mitwirkung aller Beteiligten. Diese kann im Rahmen eines dreiseitigen Vertrags erfolgen, wobei es nicht erforderlich ist, daß die Erklärungen zeitgleich abgegeben werden. Möglich ist auch ein zweiseitiger Vertrag, der jedoch der Zustimmung des Dritten bedarf §§ 182 ff. BGB). Unerheblich ist, welche der Beteiligten selbst Partei des Übernahme- bzw. Beitrittsvertrages sind und wer lediglich zustimmt (BFH v. 27. 11. 1985 VIII ZR 316/84, BGHZ 96, 302, 309). Die Vertragsübernahme und der Vertragsbeitritt unterliegt den für das übernommene Rechtsgeschäft geltenden Formvorschriften § 313 BGB). Dies gilt nicht für die Zustimmung des am Übernahme- oder Beitrittsvertrag nicht unmittelbar Beteiligten § 182 Abs. 2 BGB).
2. Rechtsfolgen von Vertragsübernahme und Vertragsbeitritt
Durch die Vertragsübernahme folgt E2 in die gesamte vertragliche Rechtsstellung des E1 nach. Im Rahmen dieser Rechtsnachfolge erwirbt E2 von E1 auch den Übereignungsanspruch. Damit erwirbt E2 diesen Anspruch in gleicher Weise im Wege eines abgeleiteten Erwerbs von E1 wie im Fall der Abtretung mit dem grunderwerbsteuerlich unbedeutenden Unterschied, daß bei der Vertragsübernahme der Übergang des Übereignungsanspruchs in eine umfassende Rechtsnachfolge in alle vertraglichen Rechte und Pflichten eingebettet ist.
Entsprechendes gilt für den Fall des Vertragsbeitritts.
Die durch Vertragsübernahme oder Vertragsbeitritt ausgelöste Überleitung des Übereignungsanspruchs ist, da die Verpflichtung zur Überleitung des Übereignungsanspruchs und die Verfügung in einem Rechtsgeschäft zusammenfallen, als Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG zu qualifizieren. Demzufolge sind Beteiligte des Erwerbsvorgangs i. S. d. §§ 19, 13 GrEStG Erst- und Zweiterwerber. Für die Anwendung persönlicher Befreiungsvorschriften sind die persönlichen Beziehungen zwischen diesen Beteiligten maßgebend.
3. Die Abgrenzung der Weiterveräußerungsfälle und insoweit insbesondere der Vertragsübernahme und des Vertragsbeitritts von den Rückabwicklungsfällen muß anhand der Vereinbarungen unter den Beteiligten erfolgen. Insoweit gelten die allgemeinen zivilrechtlichen Auslegungsgrundsätze §§ 133, 157 BGB). Danach ist nicht nur der Wortlaut der Verträge zu würdigen; maßgeblich sind daneben sämtliche Begleitumstände, die Entstehungsgeschichte, die Äußerung der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts sowie der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck und die bestehende Interessenlage.
Beispiele:
Fall 1:
V (Veräußerer) und E1 (Ersterwerber) schließen einen Kaufvertrag über ein Grundstück. Einige Zeit später, aber vor Erfüllung des Kaufvertrages wird der Kaufvertrag durch einen Änderungs-, Übernahmevertrag oder einen Nachtrag dahingehend geändert, daß nicht E1, sondern – 1. Alt. – dessen Ehegatte E2 (Zweiterwerber) oder – 2. Alt. – E1 und E2 jeweils zu Hälfte das Grundstück erwerben sollen. Im übrigen bleibt der Vertrag unverändert.
Fall 2:
Eine GmbH (V) schließt mit ihrem Alleingesellschafter (E1) einen Kaufvertrag über ein der GmbH gehörendes Grundstück zum Kaufpreis von 300 000 DM. Nach einem Monat wird erneut ein Kaufvertrag zwischen V und E2 („anderer Interessent” geschlossen. Der Kaufpreis beträgt nunmehr 350 000 DM. Der ursprüngliche Kaufvertrag zwischen V und E1 wird aufgehoben.
Fall 3:
V und E1, eine KG, schließen einen Kaufvertrag über ein Grundstück. Dieser Vertrag wird zwei Monate später aufgehoben. In derselben Urkunde w...