Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
5.8.1.1 Gesellschafterwechsel in einem Rechtsakt
Wird infolge eines Gesellschafterwechsels der Tatbestand des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in einem Rechtsakt vollzogen, bedarf es der Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 1 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG nicht, da durch diesen steuerbaren Rechtsvorgang ein Missbrauch objektiv ausgeschlossen ist.
Die Überwachung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 bzw. nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG endet mit der Verwirklichung des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG.
Fiktion eines Grundstückserwerbs
A überträgt im Jahr 01 ein Grundstück auf eine OHG, an deren Vermögen er mit 95 % und B mit 5 % beteiligt sind. Im Jahr 03 überträgt A einen OHG-Anteil i. H. v. 85 % und B seinen gesamten OHG-Anteil in einem Rechtsakt an C.
Lösung:
Jahr 03:
5.8.1.2 Gesellschafterwechsel in mehreren Rechtsakten
Erfolgt der Gesellschafterwechsel i. S. d. § 1 Abs. 2a GrEStG dagegen schrittweise, d. h. in mehreren Rechtsakten, ist § 5 Abs. 3 Satz 1 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG sowohl auf die Gesellschafterwechsel, die zur Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 2a GrEStG beitragen, als auch auf solche, die den Tatbestand auslösen, anzuwenden. Eine teleologische Reduktion kommt nicht in Betracht, da jeder Teilakt für sich einen Missbrauch nicht objektiv ausschließt.
Vermeidung von Doppelbelastungen
§ 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG enthält zur Vermeidung einer möglichen Doppelbelastung eine Anrechnungsregelung für alle Fälle, in denen wegen der Verminderung des Anteils des übertragenden Gesellschafters am Vermögen der Gesamthand die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG rückwirkend entfällt und wegen des Gesellschafterwechsels eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG vorzunehmen ist. Danach ist auf die nach § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG ermittelte Bemessungsgrundlage, den Grundbesitzwert, die Bemessungsgrundlage anzurechnen, von der nach § 5 Abs. 3 Satz 1 bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG die Steuervergünstigung rückwirkend zu versagen ist.
Die Anrechnung der Bemessungsgrundlage nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG für einen Grundstückserwerb der Personengesellschaft von ihrem Gesellschafter auf die Bemessungsgrundlage für einen späteren steuerbaren Wechsel im Gesellschafterbestand dieser Personengesellschaft hat unabhängig davon zu erfolgen, ob die Steuer für den Grundstückserwerb der Gesellschaft von ihrem Gesellschafter festgesetzt und erhoben wurde.
Da § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG eine Doppelbelastung vermeiden soll, ist die Anrechnung nur vorzunehmen, wenn das Ausscheiden des Gesellschafters, der das Grundstück übertragen hat, oder die Verringerung seiner Beteiligung durch Übertragung auf einen Neugesellschafter gleichzeitig zur Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG beiträgt. Die Veränderung der Beteiligungsverhältnisse unter Altgesellschaftern stellt keinen für § 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG relevanten Gesellschafterwechsel dar. Deshalb ist die Bemessungsgrundlage des Erwerbsvorgangs, für den die Steuervergünstigung des § 5 Abs. 1 oder 2 GrEStG oder § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG aufgrund des § 5 Abs. 3 Satz 1 GrEStG oder § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG zu versagen ist, nicht nach § 1 Abs. 2a Satz 7 GrEStG zu berücksichtigen.
Eine Überwachung nach § 5 Abs. 3 Satz 1 bzw. nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG ist nur fortzuführen, soweit der Grundstückseigentümer weiterhin am Vermögen der Gesellschaft beteiligt ist.