Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Die Berechnung der Grundsteuer vollzieht sich auf insgesamt 3 Verwaltungsstufen:
2.1 Einheitswertfeststellung
Das Finanzamt stellt zunächst den Einheitswert fest. Dabei sind regelmäßig die Wertverhältnisse auf den 1.1.1964 maßgebend. Der Eigentümer erhält einen schriftlichen Einheitswertbescheid (= Grundlagenbescheid ), in dem Feststellungen hinsichtlich des Werts, der Art und der Zurechnung (Eigentumsverhältnisse) des Grundbesitzes getroffen werden.
2.2 Festsetzung des Grundsteuermessbetrags
Auf der 2. Stufe setzt das Finanzamt den Grundsteuermessbetrag fest. Die Festsetzung erfolgt regelmäßig zusammen mit der Einheitswertfeststellung in einem (zusammengefassten) Bescheid. Gleichwohl handelt es sich rechtlich um 2 Verwaltungsakte. Der Inhalt des Steuermessbescheids (= Folgebescheid bzw. Grundlagenbescheid, vgl. Tz. 2.4) wird außerdem der hebeberechtigten Gemeinde, das ist die Gemeinde, in deren Gebiet der Steuergegenstand liegt, mitgeteilt und ist für sie verbindlich. Die Gemeinde ist nicht befugt, diesen Steuermessbescheid anzufechten.
Eine Rechtsbehelfsbefugnis der Gemeinden besteht nur in Zerlegungsverfahren nach § 186 Nr. 2 AO. Dessen ungeachtet sollen die Finanzämter die steuerberechtigten Gemeinden aber über anhängige Einspruchsverfahren gegen Realsteuermessbescheide von größerer Bedeutung unterrichten. Wegen des unbestimmten Rechtsbegriffs "von größerer Bedeutung" lässt sich eine einheitliche, für alle Belegenheitsfinanzämter geltende Betragsgrenze nicht definieren.
Der Messbetrag ergibt sich aus der Multiplikation des Einheitswerts mit der Steuermesszahl, die allerdings für die verschiedenen Grundvermögen differiert. Maßgebend für die anzuwendende Steuermesszahl ist die bewertungsrechtliche Feststellung der Grundstücksart im Einheitswertbescheid. Die Berechnungsformel lautet:
Einheitswert × Steuermesszahl = Steuermessbetrag.
Die Steuermesszahlen, die zur Berechnung des Steuermessbetrags auf den Einheitswert anzuwenden sind, betragen in Abhängigkeit von der Einheitswertfeststellung:
für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft |
6 ‰ |
für Einfamilienhäuser |
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- für die ersten 38.346,89 EUR des Einheitswerts (EW)
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2,6 ‰ |
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3,5 ‰ |
für Zweifamilienhäuser |
3,1 ‰ |
für alle übrigen Grundstücke |
3,5 ‰ |
Tab. 1: Steuermesszahlen alte Bundesländer
Besonderheit bei Eigentumswohnungen
Bei Eigentumswohnungen (Wohnungseigentum) ist ungeachtet der Artfeststellung als Einfamilienhaus die allgemeine Steuermesszahl von 3,5 ‰ anzuwenden. Die Anwendung unterschiedlicher Steuermesszahlen bei Einfamilienhäusern einerseits und Eigentumswohnungen andererseits ist wegen der verschiedenen Höhe der bei der Berechnung des Einheitswerts maßgebenden Vervielfältiger verfassungsgemäß.
In den alten Bundesländern wird vereinzelt eine Kirchensteuer vom land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz erhoben. Bemessungsgrundlage ist i. d. R. der Grundsteuermessbetrag, ausnahmsweise auch der Einheitswert des Grundbesitzes. Die Erhebung erfolgt mit einem regional unterschiedlichen Hebesatz. Bei der Kirchengrundsteuer ist nicht die Belegenheit des Grundstücks, sondern die Kirchenmitgliedschaft und der Wohnsitz des Steuerpflichtigen entscheidend.
2.3 Festsetzung der Grundsteuer
Die Gemeinde wendet auf den Steuermessbetrag den vom Gemeindeparlament beschlossenen Hebesatz an und setzt die Grundsteuer fest. Der Hebesatz muss nach § 25 Abs. 4 GrStG jeweils einheitlich sein für die in einer Gemeinde liegenden
- Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (Grundsteuer A) sowie
- Grundstücke (Grundsteuer B).
Beträchtliche regionale Unterschiede
Da den Gemeinden als Bestandteil des verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts bei der Ausübung des Hebesatzbestimmungsrechts ein weiter (kommunalpolitischer) Entscheidungsspielraum zusteht, kann die Grundsteuerbelastung von Gemeinde zu Gemeinde stark differieren.
Während der Hebesatz für die Grundsteuer B der Stadt Ingelheim am Rhein derzeit lediglich 80 % beträgt, verzeichnet die hessische Gemeinde Nauheim mit einem Hebesatz von 960 % für die Grundsteuer B den höchsten in Deutschland.
Die Grundsteuer wird für das Kalenderjahr festgesetzt. Sie wird zu je ¼ ihres Jahresbetrags am 15.2., 15.5., 15.8. und 15.11. fällig. Abweichend hiervon können die Gemeinden bestimmen, dass Kleinbeträge wie folgt fällig werden:
- am 15.8. mit ihrem Jahresbetrag, wenn dieser 15 EUR nicht übersteigt;
- am 15.2. und 15.8. zu je einer Hälfte ihres Jahresbetrags, wenn dieser 30 EUR nicht übersteigt.
Viele Gemeinden verbinden die Erhebung der Grundsteuer mit der Erhebung der von den Grundstückseigentümern zu entrichtenden Abgaben für Müllabfuhr, Straßenreinigung oder Entwässerung.
Ermittlung der Grundsteuer
Die saarländische Gemeinde Namborn hat für die Erhebung der Grundsteuer B für das Jahr 2018 einen Hebesatz von 360 % beschlossen. Der Steuerpflichtige S bewohnt dort ein Einfamili...