Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Mit der Entscheidung des BVerfG v. 10.4.2018 hat eine jahrelange Hängepartie zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der grundsteuerlichen Einheitsbewertung ihr Ende gefunden. Die Grundsteuer mit einem jährlichen Aufkommen von in den letzten Jahren zwischen 13 und 14 Milliarden EUR stellt nach der Gewerbesteuer und dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer die drittgrößte Steuerquelle für die Kommunen dar. Sie ist für diese somit von erheblicher finanzieller Bedeutung. Das BVerfG hat daher die Fortgeltung der beanstandeten Regelungen sowohl für die Vergangenheit als auch für einen befristeten Zeitraum in der Zukunft ausgesprochen.
7.1 Fortgeltungsanordnung und Neuregelungsauftrag
7.1.1 Fortgeltung für die Vergangenheit
Die Fortgeltung der für verfassungswidrig befundenen Normen zur Einheitsbewertung betrifft zunächst ausgehend vom Zeitpunkt der Verkündung des Urteils die in der Vergangenheit festgestellten Einheitswerte und die darauf beruhende Erhebung von Grundsteuer. Dafür sprechen die sonst drohenden Vollzugsprobleme, wenn noch nicht bestandskräftige Einheitswerte – und in deren Folge auch nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO die darauf beruhenden Grundsteuerbescheide – in einer angesichts der großen Zahl von Grundsteuerschuldnern aller Voraussicht nach erheblichen Größenordnung aufgehoben oder geändert werden müssten und zumindest zum Teil rückabgewickelt werden müssten. Die Hinnahme des Vollzugs von Einheitswertbescheiden, die auf der Grundlage für verfassungswidrig befundener Bewertungsregelungen rgangen sind, ist den Betroffenen deshalb zumutbar, weil die Belastung mit einer Grundsteuer dem Grunde nach durch die Verfassung legitimiert, „schon immer“ vorgesehen und deshalb von den Grundbesitzern auch zu erwarten war.
7.1.2 Fortgeltung für die Zukunft
Fortgeltung bis zum Ergehen einer Neuregelung
Das BVerfG hat die Fortgeltung der beanstandeten Regelungen zugleich in die Zukunft gerichtet – in einem ersten Schritt – zunächst bis zum Ergehen einer Neuregelung, insoweit längstens jedoch nur bis zum 31.12.2019 angeordnet. Dies ist dadurch gerechtfertigt, weil ansonsten die ernsthafte Gefahr bestünde, dass viele Gemeinden ohne die Einnahmen aus der Grundsteuer in gravierende Haushaltsprobleme gerieten. Wenn die Fortgeltung nicht angeordnet worden wäre, könnten keine neuen Einheitswertbescheide mehr erlassen werden. Selbst die weitere Erhebung von Grundsteuer auf der Grundlage schon bestandskräftiger, aber auf verfassungswidrigen Normen beruhender Einheitswertbescheide wäre nicht unproblematisch. Die Unanwendbarkeit der Einheitswertregelungen würde dabei im Ergebnis den gesamten Bereich der Grundsteuer betreffen. Denn von der Verfassungswidrigkeit der hier beanstandeten Normen wären nicht nur die dort angesprochenen bebauten Grundstücke im Grundvermögen in den alten Ländern erfasst. Als Folge hiervon könnten auch im Übrigen – also insbesondere für den Bereich der Land- und Forstwirtschaft in den alten Ländern und in den neuen Ländern insgesamt – keine neuen Einheitswertfestsetzungen mehr getroffen werden. Es wäre nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, insoweit Grundsteuer zu erheben, für bebaute Grundstücke in den alten Ländern hingegen nicht.
Die in die Zukunft gerichtete Anordnung der Fortgeltung gilt zunächst nur bis zum Ergehen der Neuregelung, längstens bis zum Ablauf der dem Gesetzgeber zur Neuregelung gesetzten Frist am 31.12.2019. Angesichts der bereits überlangen Dauer der Unvereinbarkeit der Regeln über die Einheitsbewertung mit Art. 3 Abs. 1 GG ist keine Rechtfertigung dafür erkennbar, deren Fortgeltung letztlich unbefristet auch über den 31.12.2019 hinaus bis zu einer tatsächlichen Neuregelung anzuordnen, falls der Gesetzgeber die gesetzte Frist nicht einhält.
Fortgeltung nach Verkündung der Neuregelung
Die Anwendung der als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellten Bestimmungen der Einheitsbewertung ist schließlich, sobald der Gesetzgeber eine Neuregelung getroffen hat, in einem zweiten Schritt für weitere 5 Jahre nach Verkündung der Neuregelung anzuordnen, längstens aber bis zum 31.12.2024.
Diese nach Dauer und Struktur ungewöhnliche Fortgeltungsanordnung ist durch die besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer geboten und von daher ausnahmsweise gerechtfertigt. Bereits im Zusammenhang mit früheren Bemühungen zur Reform der Grundsteuer wurde immer wieder auf den außergewöhnlichen Umsetzungsaufwand im Hinblick auf Zeit und Personal hingewiesen, den eine bundesweite Neubewertung aller Grundstücke verlangt. Vor diesem Hintergrund hält das BVerfG die Fortgeltung der alten Rechtslage für weitere 5 Jahre geboten aber auch ausreichend, um im Falle einer Neuregelung die dadurch geschaffenen Bewertungsbestimmungen umzusetzen und so während dieser Zeit die ansonsten drohenden gravierenden Haushaltsprobleme zu vermeiden. In diesem Zeitraum können Bund und Länder je nach Zuständigkeit auch dafür Sorge tragen, dass die weitere Umsetzung einer Neuregelung auf der Besteuerungsebene bereits innerhalb der Fünfjahresfrist vorber...