Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Auch ein Raum, in dem ein Steuerpflichtiger zuhause einen Telearbeitsplatz unterhält, kann dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen.
Normenkette
§ 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
Sachverhalt
K, Beamter, erklärte Werbungskosten für sein häusliches Arbeitszimmer. Er legte dazu eine "Einvernehmliche Anordnung" zwischen ihm und seinem Dienstherrn über die Einrichtung eines Telearbeitsplatzes vor. Danach musste K in seiner Wohnung einen geeigneten Arbeitsbereich zur Verfügung stellen und dem Dienstherrn nach Ankündigung den Zutritt gestatten. K sollte Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in der Dienststelle, die restliche Arbeitszeit zu Hause ableisten. Der Dienstherr richtete – ohne Kostenerstattung für Raumnutzung, Energie und Mobiliar – den Telearbeitsplatz ein und stattete ihn mit Arbeitsmitteln aus. Der Dienstherr konnte allerdings nicht bestätigen, dass K an den Heimarbeitstagen in der Dienststelle kein Büro zur Verfügung habe. Das FA berücksichtigte das Arbeitszimmer nicht. Die Klage war erfolgreich (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.1.2012, 4 K 1270/09, Haufe-Index 2997458, EFG 2012, 1625).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Hinweis
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer führen u.a. dann zu Werbungskosten – begrenzt auf 1.250 EUR – (§ 9 Abs. 5 EStG), wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG). Angesichts dieser Rechtslage warf das Besprechungsurteil zwei Fragen auf: 1. Handelt es sich bei einem vom Arbeitgeber eingerichteten Telearbeitsplatz überhaupt um ein häusliches Arbeitszimmer? 2. Steht mit der Vereinbarung über die Nutzung des Telearbeitsplatzes jedenfalls an den Heimarbeitstagen beim Arbeitgeber "kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung"?
1. Das häusliche Arbeitszimmer ist das häusliche Büro/Arbeitsraum, das nach Lage, Funktion und Ausstattung in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist, vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient, typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet ist und dabei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt. Dagegen sind Räumlichkeiten, auch wenn in die häusliche Sphäre eingebunden, kein häusliches Arbeitszimmer, wenn sie anderen Zwecken dienen, z.B. Lager, Werkstätten, Arztpraxen oder Ausstellungsräume (BFH, Urteil vom 8.12.2011, VI R 13/11, BFH/NV 2012, 510, BFH/PR 2012, 112 m.w.N.).
2.Gemessen daran beurteilte der BFH – anders als das FG – Ks Arbeitszimmer trotz Einrichtung eines Telearbeitsplatzes als typisches "häusliches Arbeitszimmer". Denn allein der Umstand, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, einen Telearbeitsplatz einzurichten, und der Arbeitnehmer dort dann auch arbeitet, schließt die Qualifikation häusliches Arbeitszimmer nicht aus. Der Lohnsteuersenat hatte schon früher entschieden (BFH, Urteil vom 23.5.2006, VI R 21/03, BFH/NV 2006, 1573, BFH/PR 2006, 306), dass ein Telearbeitsplatz unterschiedlichste Formen aufweisen kann. Also auch bei einem Telearbeitsplatz kommt es darauf an, ob das Arbeitszimmer büromäßig genutzt wird und der Erledigung gedanklicher, schriftlicher und verwaltungstechnischer Arbeiten dient; davon war hier auszugehen. Es lag auch gerade nicht die Besonderheit vor, dass K an den Heimarbeitstagen an der Dienststelle keinen Arbeitsplatz zur Verfügung hatte. Allein die Vereinbarung, dass an bestimmten Tagen zu Hause gearbeitet werden solle, ändert daran nichts. Auch ansonsten ergab sich nichts dafür, dass hier ein atypischer Arbeitsraum vorgelegen hätte.
3. Der BFH hielt auch an seiner langjährigen Rechtsprechung fest, dass das häusliche Arbeitszimmer für die Erwerbstätigkeit erforderlich ist. Daraus folgt sodann, dass dann ein "anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht", wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann (dazu BFH, Urteil vom 7.8.2003, VI R 17/01, BFH/NV 2003, 1651, BFH/PR 2003, 447). Hier ergab sich aus den Dienstvereinbarungen über die Einrichtung des Telearbeitsplatzes nicht, dass K am Dienstsitz kein anderer Arbeitsplatz im vorgenannten Sinne zur Verfügung gestanden habe. Denn K konnte seinen dienstlichen Arbeitsplatz auch an den häuslichen Arbeitstagen weiterhin nutzen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 26.2.2014 – VI R 40/12