Dr. Björn-Axel Dißars, Dr. Ulf-Christian Dißars
Leitsatz
Eine Haftungsquote von 100 % ist bei fehlender Mitwirkung des Haftenden auch bei der Umsatzsteuer nicht zu beanstanden.
Sachverhalt
Der Antragsteller war seit Dezember 2008 Geschäftsführer einer GmbH, die im Großhandel mit Schrott tätig war. Ab Mai 2009 reichte die GmbH Umsatzsteuervoranmeldungen ein, aus denen sich teilweise erhebliche Vorsteuern ergaben. Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung holte das Finanzamt Auskünfte bei den Finanzämtern der mutmaßlichen Lieferanten der GmbH ein. Hierbei ergaben sich erhebliche Ungereimtheiten. So ergab sich, dass die Lieferanten tatsächlich nicht existierten, nicht im Schrott-Handel tätig waren oder für Scheinrechnungen bekannt waren. Das Finanzamt versagte daraufhin den Vorsteuerabzug und forderte die entsprechende Umsatzsteuer zurück. Die GmbH stellte bald darauf einen Insolvenzantrag. Bereits kurz zuvor hatte das Finanzamt den Antragsteller für die Umsatzsteuerschuld und steuerliche Nebenleistungen in einer Gesamthöhe von 481.000 EUR in Haftung genommen. Der Antragsteller legte gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, da der Haftungsbescheid rechtswidrig sei. Im Oktober 2013 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Der Antragsteller beantragte hierauf Aussetzung der Vollziehung beim FG Hamburg. Er begründete dies damit, dass der GmbH der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen zugestanden habe. Zudem sei hier die Finanzverwaltung hinsichtlich der Umsatzsteuer auf den Quotenschaden beschränkt. Die GmbH sei aber niemals in der Lage gewesen, die Umsatzsteuerverbindlichkeit zu tilgen.
Entscheidung
Das FG Hamburg wies den Antrag als unbegründet ab. Nach seiner Auffassung bestünden hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Das Finanzamt habe den Antragsteller nämlich zu Recht als Geschäftsführer der GmbH nach § 69 AO in Haftung genommen, da ihn die Obliegenheit getroffen habe, die steuerlichen Pflichten der GmbH zu erfüllen. Diese Pflichten seien verletzt worden, indem die Vorsteuer aus den fraglichen Rechnungen geltend gemacht worden und die Umsatzsteuer nicht abgeführt worden sei. Einwendungen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung seien dabei hier grundsätzlich möglich, da der Insolvenzverwalter der GmbH die entsprechenden Einsprüche zurückgenommen habe. Als Geschäftsführer der GmbH sei der Antragsteller dabei verpflichtet gewesen, die Voraussetzungen der Geltendmachung der Vorsteuer im vorliegenden Fall zu prüfen, da für ihn hinreichend Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten vorlagen. Er sei deshalb verpflichtet gewesen, sich über die Person des Leistungserbringers zu vergewissern. Hinsichtlich der Höhe der Haftung gelte zwar bei der Haftung nach § 69 AO grundsätzlich der Grundsatz der anteiligen Tilgung. Da der Antragsteller aber bislang hierzu keine Angaben geliefert habe, sei es nicht zu beanstanden, dass der Antragsteller im Schätzungswege zu 100 % in Haftung genommen worden sei.
Hinweis
Die Entscheidung des FG Hamburg führt 2 wesentliche Aspekte der Haftung des Geschäftsführers nach § 69 AO i. V. m. § 34 AO vor Augen. Zum einen obliegt es dem Geschäftsführer bei Anhaltspunkten für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten, sich über diese zu vergewissern. Angesichts der Umstände des Falls lag es auf der Hand, dass es sich um Scheinlieferungen gehandelt hat. Zum anderen wird deutlich, dass zwar im Rahmen der Haftung für Umsatzsteuer nach § 69 AO der Grundsatz der anteiligen Tilgung gilt (Schwarz, in Schwarz AO, § 34 AO Rz. 11b). Dies bedeutet, dass das Finanzamt nicht besser gestellt werden muss als die anderen Gläubiger des Steuerpflichtigen. Allerdings obliegt es demjenigen, der sich auf diesen Grundsatz beruft, auch die Umstände, insbesondere die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, darzulegen. Da dies durch den Antragsteller nicht geschehen ist, konnte das Finanzamt im Schätzungswege eine Haftungsquote von 100 % annehmen. Mit dieser Entscheidung befand sich das FG Hamburg in Übereinstimmung mit dem BFH (BFH, Beschluss v. 15.9.2006, VII B 76/06, BFH/NV 2007 S. 185). Die Entscheidung des FG kann deshalb nicht als überraschend bezeichnet werden.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2014, 3 V 241/13