Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Ein Geschäftsführer kann sich bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit einer Steuer einer haftungsauslösenden Pflichtverletzung schuldig machen, wenn er für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit keine Sorge trifft.
Sachverhalt
Der Antragsteller (Ast.) und sein Bruder waren Kommanditisten der A-GmbH & Co KG (KG) sowie Gesellschafter der A-GmbH. Die KG reichte im September 2008 u. a. eine Gewerbesteuererklärung für 2007 mit einer Gewerbesteuerschuld von rd. 360 000 EUR beim Finanzamt (FA) ein. Auf dem Bankkonto der KG stand zu diesem Zeitpunkt ein entsprechendes Guthaben zur Verfügung zur Tilgung der - noch nicht fälligen - Gewerbesteuer.
Noch im September 2008 veräußerten der Ast. und sein Bruder ihre Geschäftsanteile an der KG sowie an der A-GmbH an F. Dabei verpflichtete sich F, der zudem den Ast. als Geschäftsführer ablöste, unter Hinweis auf das Bankguthaben zur Zahlung der Gewerbesteuernachzahlung.
Nach Umfirmierung der KG und Verlegung des Sitzes veräußerte F die Kommanditanteile sowie die Geschäftsanteile an der A-GmbH zeitnah an den arbeitslosen G, der als Treuhänder für H aus der Republik Jemen handelte. G wurde gleichzeitig, unter Abberufung des F, zum Geschäftsführer bestellt. Im notariellen Vertrag wurde (wiederum) darauf hingewiesen, dass für die Zahlung der zu erwartenden Gewerbesteuer ein entsprechendes Bankguthaben zur Verfügung steht.
Da die KG die fällige Gewerbesteuer nicht zahlte und der Verbleib des Bankguthabens in der Folge nicht aufgeklärt werden konnte, nahm das FA neben dem F und G auch den Ast. in Haftung.
Entscheidung
Das FG entscheidet nach summarischer Prüfung im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO, dass der Ast. sowohl den objektiven als auch den subjektiven Tatbestand des § 69 i. V. m. § 34 AO dadurch verwirklicht hat, dass er als ehemaliger Geschäftsführer der KG nicht für die Entrichtung der dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Gewerbesteuerschuld 2007 vor der Abtretung der Geschäftsanteile an F sowie zeitgleicher Beendigung seines Geschäftsführeramtes gesorgt hat. Da er und sein Bruder ihre Geschäftsanteile an eine Person veräußert haben, die von vorneherein im Verdacht gestanden hat, selbst "Firmenbestatter" zu sein oder bereits im Zeitpunkt des Erwerbs die Absicht zu haben, die Anteile kurze Zeit später an einen "Firmenbestatter" weiter zu veräußern, genügte der Ast. seiner Vorsorgepflicht durch Bereitstellung des Guthabens auf dem Geschäftskonto der KG nicht. Er hätte vielmehr durch zusätzliche Maßnahmen sicherstellen müssen, dass das Finanzamt die Gewerbesteuerforderung vereinnahmen werde. Dies hätte etwa durch die Bestellung einer Bankbürgschaft zugunsten des FA oder durch Hinterlegung des Betrags beim zuständigen Amtsgericht erfolgen können.
Hinweis
Für eine sog. "Firmenbestattung" ist typisch, dass zeitlich abgestimmt mit der Anteilsveräußerung eine Person als alleiniger Geschäftsführer unter gleichzeitiger Abberufung der bisherigen Verantwortlichen bestellt wird, die wegen fehlenden Einkommens und Privatvermögens nicht als Haftungsschuldner für den Fiskus in Betracht kommt. Der neue Geschäftsführer soll tatsächlich keine Geschäftstätigkeit mehr entfalten und allenfalls eine Strohmannfunktion innehaben. Außerdem wird regelmäßig die Firma des übernommenen Unternehmens geändert und deren Standort an einen bloßen Scheinsitz möglichst in einem anderen Bundesland verlegt.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2012, 9 V 9222/10