Leitsatz
Ein Betriebsübernehmer haftet nach § 75 AO, wenn er ein lebensfähiges Unternehmen übernimmt, auch wenn dieses finanzielle Probleme hat.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte ihrem Sohn Darlehen für dessen Unternehmen gewährt und hierfür als Sicherheit sämtliche Gegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung sowie weitere Vermögensgegenstände übereignet erhalten. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nahm sie die Gegenstände in Besitz. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde später mangels Masse abgelehnt. Nach erfolgloser Vollstreckung gegen den Sohn nahm das Finanzamt die Klägerin gemäß § 75 AO in Haftung. Im Klageverfahren führte die Klägerin vor allem an, sie hafte deshalb nicht, weil durch die Sicherungsübereignung noch keine Betriebsübernahme erfolgt sei. Zudem sei das "übernommene Unternehmen" ein sterbendes Unternehmen gewesen und das übernommene Vermögen nichts wert. Ohne erhebliche Investitionen wäre eine Fortführung des Unternehmens nicht möglich gewesen. Auch habe sie das Unternehmen in der Insolvenz erworben.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage nahezu vollständig als unbegründet zurück. Unter Verweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH führte das FG München aus, dass es sich bei dem Unternehmen um ein lebendes Unternehmen gehandelt habe, welches ohne nennenswerte zusätzliche Aufwendungen fortgeführt werden konnte (BFH, Urteile v. 11.5.1993, VII R 86/92, BStBl 1993 II S. 700 und v. 27.5.1986, VII 183/83, BStBl 1986 II S. 654). Maßgeblich sei hierfür der Zeitpunkt der Inbesitznahme der wesentlichen Grundlagen des Unternehmens. Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind in diesem Zusammenhang unerheblich. Der Haftungsausschluss gemäß § 75 Abs. 2 AO komme schon deshalb nicht zum tragen, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden sei (s. hierzu auch Loose, in: Tipke/Kruse, AO und FGO, § 75 AO Tz. 34ff.).
Hinweis
Die Entscheidung ist insofern von Bedeutung als sie potenziellen Betriebsübernehmern vor Augen führt, dass es für eine mögliche Haftung nicht von Bedeutung ist, dass das Unternehmen, welches übernommen wird, tatsächlich unverändert fortgeführt wird, sondern ein potenziell lebensfähiges Unternehmen ausreichend ist. Deshalb reicht es nicht aus, dass das Unternehmen zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme mit Verlusten gearbeitet hat oder etwa überschuldet war. Auch ist es wichtig zu wissen, dass der Haftungsausschluss des Erwerbs aus der Insolvenz nicht gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 24.01.2008, 14 K 4361/06