Leitsatz
Wird eine Steuerforderung gegenüber einer GmbH widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt, ist der Geschäftsführer der GmbH im Verfahren wegen Haftung gemäß § 166 AO mit Einwendungen gegen die Höhe der Steuerforderung ausgeschlossen, wenn er der Forderungsanmeldung hätte widersprechen können, dies aber nicht getan hat.
Normenkette
§ 166 AO, § 174, § 175, § 176, § 178, § 184 Abs. 2 Satz 1, § 201 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 InsO, § 184 Satz 2 InsO a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war seit Gründung der X GmbH (GmbH) im Jahr 2000 deren Geschäftsführerin.
Die GmbH gab für die Jahre 2003 bis 2005 keine Steuererklärungen ab. Das FA setzte deshalb die Umsatzsteuer, die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag aufgrund geschätzter Besteuerungsgrundlagen (§ 162 AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) fest. Hiergegen legte die GmbH, vertreten durch ihren Steuerberater, den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Einsprüche ein.
Am 31.3.2006 beantragte das FA die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH. Durch Beschluss aus November 2006 eröffnete das AG Z das Insolvenzverfahren. In dem Beschluss ist der Prüfungstermin genannt.
Im Laufe des Insolvenzverfahrens reichte der Insolvenzverwalter Steuererklärungen der GmbH ein, berechnete das FA die Steuer jeweils neu, wich teilweise von den Erklärungen ab und meldete die Umsatzsteuer, die Körperschaftsteuer und den Solidaritätszuschlag für die Jahre 2003 bis 2005 sowie Säumniszuschläge, Zinsen und Verspätungszuschläge zur Insolvenztabelle an. Anfangs bestritt der Insolvenzverwalter die Forderungen. Mit Schreiben vom 2.7.2008 erklärte der Insolvenzverwalter, er sei bereit, für Zwecke der Forderungsanmeldung eine Hinzuschätzung in bestimmter Höhe zu akzeptieren. Ein Zugeständnis von Umsätzen sei damit nicht verbunden.
Die Anmeldungen wurden anschließend vom FA dementsprechend ermäßigt und in diesem Umfang am 24.9.2008 festgestellt (§ 174, § 175, § 178 InsO).
Auch die GmbH widersprach den Forderungen nicht. Die Klägerin war während des Insolvenzverfahrens weiterhin Geschäftsführerin der GmbH.
Nach Anhörung der Klägerin im August 2008 erließ das FA im Dezember 2008 einen Haftungsbescheid.
Auf den Einspruch der Klägerin, mit dem sie Einwendungen gegen die Höhe der Steuer erhob, berücksichtigte das FA Zinsen und Säumniszuschläge nicht mehr bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern nur noch bis zur Stellung des Insolvenzantrags. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG (FG München, Urteil vom 10.3.2016, 14 K 2710/13, Haufe-Index 9923774, EFG 2016, 1931) wies die Klage ab. Es entschied, die Einwendungen der Klägerin gegen die Höhe der Steuer blieben erfolglos. Die Klägerin sei an die in der Insolvenztabelle widerspruchslos festgestellten Forderungen des FA nach § 166 AO gebunden.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Da die Klägerin im Prüfungstermin namens der GmbH hätte Widerspruch erheben können, sei ihre Haftung auch verfassungsgemäß.
Hinweis
1. Ist dem Steuerpflichtigen gegenüber eine Steuer unanfechtbar festgesetzt, hat dies nach § 166 AO u.a. gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Diese Vorschrift kann insbesondere in Haftungsfällen zur Anwendung gelangen, wenn der Geschäftsführer einer GmbH eine Steuerfestsetzung gegenüber der GmbH bestandskräftig werden lässt und später für die Steuer in Haftung genommen wird.
2. Die Rechtsfolge des § 166 AO tritt aber grundsätzlich auch dann ein, wenn eine Steuerforderung gegenüber einer GmbH widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt wird und der Geschäftsführer dieser Forderungsanmeldung hätte widersprechen können, dies aber nicht getan hat (vgl. BFH, Urteil vom 16.5.2017, VII R 25/16, BFH/NV 2017, 1217, BFH/PR 2017, 341, BStBl II 2017, 934), weil im Bereich des Steuerrechts die widerspruchslose Eintragung in die Insolvenztabelle wie die bestandskräftige Festsetzung der Forderung wirkt (vgl. BFH, Urteil vom 16.4.2013, VII R 44/12, BFH/NV 2013, 1672, BFH/PR 2013, 436, BStBl II 2013, 778, Rz. 21).
3. Dass der Geschäftsführer zuvor namens der GmbH Einspruch eingelegt hatte, macht den Widerspruch nicht entbehrlich. Denn die widerspruchslose Feststellung zur Insolvenztabelle hat über § 201 InsO Rechtswirkungen auch gegenüber dem Insolvenzschuldner. Bleibt eine angemeldete Forderung im Prüfungstermin (§ 176 InsO) unbestritten, ist ein vom Insolvenzschuldner eingeleitetes Einspruchsverfahren durch die widerspruchslose Feststellung zur Insolvenztabelle in der Hauptsache erledigt (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 11.12.2013, XI R 22/11, BFH/NV 2014, 598, BFH/PR 2014, 170, BStBl II 2014, 332, Rz. 27; BGH, Urteil vom 30.1.1961, II ZR 98/59, NJW 1961, 1066). Lässt der Geschäftsführer zu, dass sich der Einspruch der GmbH in der Hauptsache erledigt, treten d...